17.12.13

Ab-Re(a)gierungserklärung

Der Winter. Die Angst vor dem Nichts. Die Angst vor dem Tod. Wir klammern uns an falsche Sicherheiten, Gewohnheiten. Ö1 begleitet uns täglich gekonnt, Facebook verbindet uns virtuell und die Zeitungen berieseln uns mit schlechtem, schmutzigem „Schmeh“. Wir empören uns, wir „disliken“ die neue Flohzirkustruppe, die uns ein Österreich vorgaukelt, das es so gar nicht gibt, nie gegeben hat und die in Wahrheit das Land auf ein Schäbigkeitslevel runterregiert, das mehr und mehr dem gleichnamigen Schmierblatt gleicht.

Wir echauffieren uns über die „Idioten“ an der Regierung wie am schlechten Glühwein an den Charity-Punschständen, der Weihnachtsmärkte, die wir widerwillig doch beehren. Wir hängen bis über den Hals drin in der Arschgeige der Abhängigkeiten – vom (Atom)Strom, vom Supermarkt, vom Flautegott Konjunktur, vom Übergott Kapital, von Leviathanischen Brüssel-beschlüssen, die längst schon die nationalstaatlichen, parlamentarischen, demokratischen Handlungsspielräume abgeschafft haben, paradoxerweise nicht die der Landesfürsten und der nationalen Regierungschefs, sondern vor allem die individuell menschlichen und die assoziiert zivilgesellschaftlichen.

Nationalstatliche Identitäten – nebelhafte Chimären von Gestern. Das rot-weiß-rot-Bild des Wachauer Marillen-knödelösterreichs, der „erste-Opfer"-Lüge, des dritten Mannes, der drei von der Tankstelle und des Kreiskyschen Reformerbes, kommt vielleicht noch in quälenden Assimilationsprüfungsfragen für Staatsbürgerschafts-aspirantInnen mit Migrationshintergrund vor, ist aber realiter (Gott sei dank, wenn es ihn gibt) lang schon außer Kraft gesetzt, wir merken es nur nicht. Es geht uns trotzdem noch recht gut, dem Cap geht’s im Renner Institut noch besser, die Dramen - Kriege, Hunger, Armut, ertrinkende Flüchtlinge..- sind weit weg (obwohl sie doch auch bei uns im Land nicht mehr zu übersehen sind). Aber der Opernball ist gesichert und die Volkstheaternachfolge und die Regierungsbildung unter dem Weihnachtsbaum, ohne Wissenschaftsministeriumspackerl, aber mit Bundespräsidenten-ansprache, weihnachtsmännisch, voll väterlicher Stabilität. Gähn.

Zuviel Ohnmacht des Einzelnen zieht hinunter in die Lethargie und Depression, aber wer hat schon Zeit, Bock und Kraft (außer Ute Bock und Asyl in Not und eine Handvoll anderer) seine Vereinzeltheit aufzugeben und sich ein wenig mit seinesgleichen souveräner und handlungsfähig zu machen? Hand aufs Herz: Solange Wien Energie uns noch mit erschwinglichem Erdgas aus Russland versorgt und Hofer billiger ist als Billa, solange die U-Bahnen noch fahren und das AKH uns im Krankheitsfall nicht abweist wie schwangere „AusländerInnen“, mit der „Mahü“ für Stadtgesprächs-Stoff und Zoff gesorgt ist und uns die Gratiszeitungen gratis um die Ohren fliegen, solange wir an die Wohlfahrtsstaatsillusion ebenso fest glauben dürfen wie an das konsumgeile Christkind, ist es ziemlich unerheblich welche Kasperln mit oder ohne Herz an den Schaltstellen der politischen Scheinmacht herumfingern. Die Wirtschaftslobbys ziehen an den goldenen Schnüren der Kanzler-, Präsidenten- und Minister-marionetten, lassen die Jasager und Abnickerparlamentarier aller europäischen Provinzen den "last-rating-Tango" tanzen, designieren die Sünden-böcke, die auf dem Altar des hohlen und überholten Konsumhedonismus unser aller Bequemlichkeit geopfert werden sollen: Spanien, Griechenland, Italien, Portugal, Irland, Südost und Osteuropa…60% Jugendarbeitslosigkeit, rasant steigende Suizidraten, niederbrechende Gesundheits- und Sozialsysteme, wachsende Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, Sturmseen auf die Mühlen des populistischen Rechtsextremismus. „Und wenn ihr nicht spurts und sparts, dann geht es euch hier bei uns bald ebenso!“

Aber die allerschrecklichste Macht hat sich längst eingenistet in unser Denken und Fühlen (bezw. Nichtfühlen) und dort ist sie im Moment unser ärgster Feind, der uns wirkungsvoller und nachhaltiger lähmt und beeinträchtigt als alle Rudasse, Faymänner, Mikl-Leitners, Spindeleggers, Straches, etc. zusammengenommen, die uns, dem Volk, das eigentlich laut Verfassung und im Sinne einer lebendigen Demokratie der Souverän sein sollte, der Auftrag- und Arbeitgeber der Regierung, den Nipf nimmt irgend etwas grundlegendes an diesem, an seine Grenzen gekommenen, überkommenen Wirtschafts- und Politsystem zu ändern: die verständliche Urangst unsere kleinen, miserablen Privilegien, Bequemlichkeiten und Scheinsicherheiten eines braven, fleißigen, abhängigen und gehorsamen Untertanenlebens für ein freies, selbstbestimmtes, sinnerfülltes Dasein einzutauschen, wenn nötig auch aufs Spiel zu setzen, Risiko einzugehen, nein zu sagen zu einer immer unmenschlicheren Welt, die wir so nicht wollen, auch wenn wir die Lösung aller Probleme nicht in der Einkaufstasche haben, sondern gemeinsam suchen, besprechen und möglichst friedvoll, weltweit umsetzen müssen.

So, Ende der Erklärung. Jetzt hab ich mich, fürs erste, genug abre(a)giert.

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