29.12.13

Winterbild am Fluss, an Stelle eines Fotos



Grün und blau kräuseln sich im Fluss die Wellen
Zu Milliarden Zeichen, die der Sturm ins Wasser bläst
Gegen den Strom, in feinen Fischgrätmustern, Krähenfüßen
Die stets sich ändern, gegen einander stellen
Zu Ufersteinen, Blättern, Wolken sich gesellen
Und unserem Wir
Die uns auf seltsam dunkle Weise grüßen
Als eine unbekannte Schrift in einem rätselhaften Buch
Das will, dass ihr es lest, gänzlich begreift, versteht
Ehe es der Sturm, in seiner Ignoranz verbläst, verweht
Dies Winterbild am Fluss schenke ich Dir
An Stelle eines Fotos, als Versuch

28.12.13

Kurz vor 2014...



Schlaflos sitze ich zwischen den Zeilen
Redlich will ich die Fassung behalten
Im Zeitkerker mitgefangen - gehangen
Will ich Mitteilenswertes mit euch teilen
Und per Mausklick die Zukunft mit gestalten

Mit allen vernetzt und doch so weit entfernt
Habe ich Freiheit, Muße, Ungebundenheit
In der Bilder-Gedankenflut Denken verlernt
Ach, FreundInnen, wir leben in einer herrlichen Zeit

Mandela ist tot und die Grünen sind gut
Die Regierung ist schlecht und ein alter Hut
Das Klima erwärmt sich, Atomstrom ist out
Wieso geht mir das nicht mehr unter die Haut

Pussy Riot sind frei, Putin fährt in Sotschi Ski
In Syrien erfrieren Kinder in Zelten
Die Welt ist so klein und doch trennen uns Welten
Wir ersticken in Lüge und Infamie

Ein Sonnenaufgang, eine Weihnachtkugel am Baum
Ein sinn triefender Sinnspruch, das Haustier, das liebe
Die halbe Menschheit verreckt, doch wir merkten kaum
Wenn die Welt uns im Hals stecken bliebe

Spürt ihr auch die Lähmung, sie ist unerträglich
Wir wissen alle so geht es nicht mehr weiter
Die Welt läuft falsch, das Unrecht wächst täglich
Unser Gesellschaftssystem ist eine Beule voll Eiter

Aber – die Karriereleiter

Ist es banal zu sagen: der Kapitalismus ist am Ende
Er mordet das Leben, er zerstört die Welt ganz und gar
Dagegen hilft nur eine revolutionäre Wende
Ich wünsche uns allen – ein gutes, friedliches, neues Jahr!

23.12.13

"Jahresrückblick"



Alt sind die Hände geworden
Zwei weiße, verkümmerte Flügel
Liegen sie in meinem Schoß
Ich verliere mich in der Geographie 
und der  Geschichte ihrer Venen, Narben und Falten
Und doch ist die Lust zu fliegen noch groß
Und andere Hände in diesen Händen zu halten

22.12.13

Atheistisches Gedichtgebet für Ute Bock



Das Bedürfnis zu glauben...


Das Bedürftnis zu glauben, an das Gurren der Tauben, an das Mondlicht, an die Schatten der Wolken, an die rollenden Steine unter der Brandung, an die Sterne im Himmel, an die Blumen der Erde, an das ewige Spiel der Wellen, an das Feuer der menschlichen Herde, das geteilte Nachtmahl und das offene Haus für die rastlosen Müden

Das Bedürfnis zu glauben, an die Seele in den Augen-Blicken, an die Begegnungen der Liebe, an das gemeinsame Reden, Singen und Tanzen

Das Bedürfnis zu glauben, an den Soldaten, der nicht auf den Feind schießt, an die Nachbarn, die die Verfolgten verstecken, an die arme Familie, gleich welcher Herkunft und welcher Geschlechts-zusammensetzung, die ihr kärgliches Essen mit noch Bedürftigeren teilt

Das Bedürfnis zu glauben, dass unser Leben sinnvoll sein kann und die Menschen friedliche Geschöpfe sein können, die Sorge tragen, um die Zukunft der Welt und ihrer Kinder und Kindeskinder

Das Bedürfnis zu glauben, dass Wunden heilen und Worte und Taten trösten, dass Wunder realisierbar und eine andere Welt möglich sind

Das Bedürfnis zu glauben an das/die/den Andere(n), an den Flaum deiner Haare, an die Süße deiner Mundwinkel an die Weichheit deines Fleisches und dass ich mich verlieren kann in den Traumwäldern und Lichtungen der Poesie des Alltags, der Würze unserer sterblichen, unsterblichen Existenzen und Ideen. Das Bedürfnis zu glauben, an Dich und an mich, an uns

Das Bedürfnis zu glauben, an die schützenden Flügel von Engeln und Tauben

Ich glaube an die Kraft des Lebens, des fließenden Flusses, des fallenden Regens, des unerwarteten Kusses, des freien Blickes auf freie Natur. Ich glaube an den Sex und die Zeugung neuen Lebens, ich glaube an die Nützlichkeit des natürlichen Sterbens, an das Glück der Liebe und der gelungenen Arbeit. Ich glaube an Empörung, Gestaltung und Veränderung. Ich glaube an die Kraft der Schwäche und die Kraft des Verzeihens und die Gnade des Verschwindens in den Tiefen der Elemente, an die Rückkehr zum Ganzen.

Ich glaube nicht an die selbsternannten, oder erfundenen HohepriesterInnen einer jenseitigen Macht, im Lohndienst der diesseitigen Herrschaft. Ich glaube an die Freiheitsfähigkeit des Menschen. Ich glaube an die Notwendigkeit eines menschlichen Glaubens abseits der Horden und Herden, abseits der Führer, Verführer, Geführten und Verführten, der Waffensegner, Waffenproduzenten und Waffenverwender, Menschengebraucher und Verbraucher, der dogmatischen Zwängler, politischen und wirtschaftlichen Psychopathen, die sich zu irdischen Gottheiten aufschwingen und uns in ihre vorgefertigten Ideologie- und Religions- Arbeits- und Lebensformen pressen wollen, in bewusst, oder unbewusst brutal-grausamer, scheinbar demokratischer „Sanftmut-Toleranz-Benützungs- und letztlich Vernichtungsabsicht“.

Ich glaube an kooperative Sozialität bei intakter, individueller Autonomie und an das Recht jedes/jeder Einzelnen auf absoluten Respekt seiner/ihrer Einzigartigkeit, Originalität und, ach, so bitteren Unersetzlichkeit.

Liebe Frau Bock, ich danke Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute und Genesung.

21.12.13

Haiku für 2014


Bleibe Dir selbst treu
Verändere Dich ständig
Erwarte Dir nichts



Sinnliche, menschliche Verbundenheit

Wir sind Teil der Gattung Mensch, mit allem Lebendigen verbunden. Das Mitgefühl mit allem Seienden ist uns von Geburt an mitgegeben. Wir haben dafür ein mehr oder weniger ausgeprägtes Sensorium.

Die Religionen, seit je her, versuchen dieses, uns innewohnende, geheimnisvolle Verlangen nach gerechtem, maßvollem „ im Lot mit sich selbst, den anderen und der Welt sein“ im Diesseits umgehend, mit Illusionen des besseren Jenseits abzufinden.

Die Politik, mit ihren oft todbringenden Ideologien und Ausschlussmechanismen, manipuliert all zu oft die Verbundenheitsgefühle und versucht sie für ihre materiellen Machtzwecke zu missbrauchen.

Kunst und Wissenschaft fühlen sie bisweilen, suchen sie zu erfassen und zu vermessen und scheitern mit der ihnen innewohnenden Vereinzelungs- und Zerstückelungstendenz doch regelmäßig an der vielfältigen Fülle und Komplexität dieser Ganzheitsbezogenen, menschlichen Wahrnehmungs- und Austauschdispositionen.

Die Hirnforschung nähert sich auf ihre, zumeist kalt narzisstisch-reduktionistische Weise diesem bisher viel zu wenig beachteten, biopsychosozialen Phänomen.

Ein Kind, das seine Eltern umfängt, liebevoll küsst und herzt und eben diese Gefühle erwidert findet, bietet zu jeder Zeit und überall das gleiche Bild und eine Ahnung von dem in jedem, jeder Einzelnen von uns und demgemäß auch in der Gesamtheit schlummernden, geschwisterlichen Freiheits- und Liebespotenzial für ein gänzlich anderes, selbstbestimmtes, nachhaltiges, friedliches, spielerisches, schöpferisches Zusammenleben auf unserem so malträtierten und doch so reichen und wunderbaren Planeten.

Menschliche Kooperation oder unmenschliche Konfrontation. Welchen Weg werden wir nehmen, hundert Jahre nach Beginn des „ersten Weltkrieges“? Es wird auch auf uns ankommen.

Alles Liebe für die Festtage
und alles Gute für den Jahreswechsel,
  
Willi Stelzhammer

19.12.13

cat and dog - dialog



Cat power good woman



I want to be a good woman
And I want, for you to be a good man.
This is why I will be leaving
And this is why, I can't see you no more.
I will miss your heart so tender
And I will love
This love forever

I don't want be a bad woman
And I can't stand to see you be a bad man
I will miss your heart so tender
And I will love
This love forever
And this is why I am leaving
And this is why I can't see you no more
This is why I am lying when I say
That I don't love you no more

Cause I want (to) be a good women
And I want for you to be a good man



 
















powerdog You are a good woman



You are a good woman

A mistery woman

Your clothes are shadows

And the moon is your crown

Your soul is a deep sea

On her ground a lost seaman

Still loves you and swear

You will never be down



You are not a bad woman

I am not a bad man, but just

We do what we can against

Evil of dust, aggression and power

Hopelessness, senslessness

Existence and loving

In the empire of “you must”



But, goodness, what`s good

And what`s bad, we define

On our own, we don’t care

What others beliefs

So we go through the night

Through sunshine and rain

Like proudly sad thieves

Of our love, which remains

17.12.13

Ab-Re(a)gierungserklärung

Der Winter. Die Angst vor dem Nichts. Die Angst vor dem Tod. Wir klammern uns an falsche Sicherheiten, Gewohnheiten. Ö1 begleitet uns täglich gekonnt, Facebook verbindet uns virtuell und die Zeitungen berieseln uns mit schlechtem, schmutzigem „Schmeh“. Wir empören uns, wir „disliken“ die neue Flohzirkustruppe, die uns ein Österreich vorgaukelt, das es so gar nicht gibt, nie gegeben hat und die in Wahrheit das Land auf ein Schäbigkeitslevel runterregiert, das mehr und mehr dem gleichnamigen Schmierblatt gleicht.

Wir echauffieren uns über die „Idioten“ an der Regierung wie am schlechten Glühwein an den Charity-Punschständen, der Weihnachtsmärkte, die wir widerwillig doch beehren. Wir hängen bis über den Hals drin in der Arschgeige der Abhängigkeiten – vom (Atom)Strom, vom Supermarkt, vom Flautegott Konjunktur, vom Übergott Kapital, von Leviathanischen Brüssel-beschlüssen, die längst schon die nationalstaatlichen, parlamentarischen, demokratischen Handlungsspielräume abgeschafft haben, paradoxerweise nicht die der Landesfürsten und der nationalen Regierungschefs, sondern vor allem die individuell menschlichen und die assoziiert zivilgesellschaftlichen.

Nationalstatliche Identitäten – nebelhafte Chimären von Gestern. Das rot-weiß-rot-Bild des Wachauer Marillen-knödelösterreichs, der „erste-Opfer"-Lüge, des dritten Mannes, der drei von der Tankstelle und des Kreiskyschen Reformerbes, kommt vielleicht noch in quälenden Assimilationsprüfungsfragen für Staatsbürgerschafts-aspirantInnen mit Migrationshintergrund vor, ist aber realiter (Gott sei dank, wenn es ihn gibt) lang schon außer Kraft gesetzt, wir merken es nur nicht. Es geht uns trotzdem noch recht gut, dem Cap geht’s im Renner Institut noch besser, die Dramen - Kriege, Hunger, Armut, ertrinkende Flüchtlinge..- sind weit weg (obwohl sie doch auch bei uns im Land nicht mehr zu übersehen sind). Aber der Opernball ist gesichert und die Volkstheaternachfolge und die Regierungsbildung unter dem Weihnachtsbaum, ohne Wissenschaftsministeriumspackerl, aber mit Bundespräsidenten-ansprache, weihnachtsmännisch, voll väterlicher Stabilität. Gähn.

Zuviel Ohnmacht des Einzelnen zieht hinunter in die Lethargie und Depression, aber wer hat schon Zeit, Bock und Kraft (außer Ute Bock und Asyl in Not und eine Handvoll anderer) seine Vereinzeltheit aufzugeben und sich ein wenig mit seinesgleichen souveräner und handlungsfähig zu machen? Hand aufs Herz: Solange Wien Energie uns noch mit erschwinglichem Erdgas aus Russland versorgt und Hofer billiger ist als Billa, solange die U-Bahnen noch fahren und das AKH uns im Krankheitsfall nicht abweist wie schwangere „AusländerInnen“, mit der „Mahü“ für Stadtgesprächs-Stoff und Zoff gesorgt ist und uns die Gratiszeitungen gratis um die Ohren fliegen, solange wir an die Wohlfahrtsstaatsillusion ebenso fest glauben dürfen wie an das konsumgeile Christkind, ist es ziemlich unerheblich welche Kasperln mit oder ohne Herz an den Schaltstellen der politischen Scheinmacht herumfingern. Die Wirtschaftslobbys ziehen an den goldenen Schnüren der Kanzler-, Präsidenten- und Minister-marionetten, lassen die Jasager und Abnickerparlamentarier aller europäischen Provinzen den "last-rating-Tango" tanzen, designieren die Sünden-böcke, die auf dem Altar des hohlen und überholten Konsumhedonismus unser aller Bequemlichkeit geopfert werden sollen: Spanien, Griechenland, Italien, Portugal, Irland, Südost und Osteuropa…60% Jugendarbeitslosigkeit, rasant steigende Suizidraten, niederbrechende Gesundheits- und Sozialsysteme, wachsende Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, Sturmseen auf die Mühlen des populistischen Rechtsextremismus. „Und wenn ihr nicht spurts und sparts, dann geht es euch hier bei uns bald ebenso!“

Aber die allerschrecklichste Macht hat sich längst eingenistet in unser Denken und Fühlen (bezw. Nichtfühlen) und dort ist sie im Moment unser ärgster Feind, der uns wirkungsvoller und nachhaltiger lähmt und beeinträchtigt als alle Rudasse, Faymänner, Mikl-Leitners, Spindeleggers, Straches, etc. zusammengenommen, die uns, dem Volk, das eigentlich laut Verfassung und im Sinne einer lebendigen Demokratie der Souverän sein sollte, der Auftrag- und Arbeitgeber der Regierung, den Nipf nimmt irgend etwas grundlegendes an diesem, an seine Grenzen gekommenen, überkommenen Wirtschafts- und Politsystem zu ändern: die verständliche Urangst unsere kleinen, miserablen Privilegien, Bequemlichkeiten und Scheinsicherheiten eines braven, fleißigen, abhängigen und gehorsamen Untertanenlebens für ein freies, selbstbestimmtes, sinnerfülltes Dasein einzutauschen, wenn nötig auch aufs Spiel zu setzen, Risiko einzugehen, nein zu sagen zu einer immer unmenschlicheren Welt, die wir so nicht wollen, auch wenn wir die Lösung aller Probleme nicht in der Einkaufstasche haben, sondern gemeinsam suchen, besprechen und möglichst friedvoll, weltweit umsetzen müssen.

So, Ende der Erklärung. Jetzt hab ich mich, fürs erste, genug abre(a)giert.

12.12.13

Zufallssaat Liebe



Die Liebe ist in Dir, die Liebe ist in mir, die Liebe ist in allen Dingen, allen Wesen, überall. Die Liebe ist des Lebens Elixier und in uns ist ihr wunderbares Singenspringen, ihr Klang und Überschwang, ihr Schwall und Schall und Fall, sie leiht noch allen schwersten Schweren Schwingen sie braucht noch nicht mal einen Adressaten, sie füllt die Leeren, sie ist die Luft, das Wasser, Erde, Feuer und das Licht und jeder trägt sie in sich, fühlt er sie auch nicht und hört er nicht wie sie zu ihm und aus ihm spricht. Die Liebe ist, sie muss uns nicht gelingen, braucht keine Antwort, nicht Erwiderung, die Liebe hat kein Alter ist unendlich alt und ewig jung, von vielerlei Geschlecht, ist grenzenlos, hat immer Recht, zerspringt in tausend Stücke und kriegt doch keinen Sprung. Die Liebe ist das einzige das zählt, die uns bewegt, uns fliegen lässt und quält und auch entböst, doch niemals ist sie sicher, die Liebe ist ein burschenhaftes Jungmädchengekicher von greiser Eifersucht, ein zartes Blütenblatt und jeder ist schon tot, der keine Liebe hat, die Liebe ist, entgrößt, entblößt, der Dünger großer Taten und Ideen, die Liebe ist die Frucht von Zufallssaaten., die uns ernährt und heilt belehrt, verlässt, verweilt und wiederkehrt und uns in einem Freudenfest von Last in Lust erlöst. Lasst uns die Zufallssaat der Liebe säen, ehe wir schlafen gehen.

P.S. Nach diesem Nachterguss: Die Liebe ist natürlich stets im Fluss und ist auch Müh und Plag und Arbeit auch, treue Beharrlichkeit und Tag für Tag das Feuer schüren und nähren, ist nicht nur Wärme ist auch beißender Rauch und Wut und Angst und Zweifel, die mir die Luft abschnüren und bisweilen eine Flut von Zähren auf die kalte Glut und Wege die mich irgendwohin führen. Das alles ist nicht wichtig. Wichtig ist sie überhaupt zu spüren. Dann geht’s mir gut

3.12.13

Athener Oktobernovembergedichte




 

Am Tag vor dem Abflug

Ruhe finden zwischen den Stürmen,
Ruhe finden zwischen den Winden
die uns in alle Richtungen zerren
Kurz Wurzeln schlagen, Türen und Fenster versperren
Ehe wir sie  wieder öffnen aufs Neue
Dass uns das Hier und Jetzt umhülle
durchdringe, umfange und gänzlich erfülle
zutiefst erfreue, die Katze, die Stille
Kondensstreifen am Himmel
Geruch von Gras, Laub, Zitronenmelisse
Einatme Seele, dein freier Wille trägt dich
Wie die Erde voll Nüssen und Küssen
Und lässt dich ertragen das Ungewisse
Das Unbekannte, das Dunkel
Das unerklärliche Sternengefunkel
Das Morgen, das, wie eine Kulisse
Noch vage aufdämmert, entfacht, formiert
Und du spürst wie die Angstblase platzt
Und die Trauer sich löst und die
Ohnmacht in dir ihre Macht verliert
Und Ruhe kehrt ein und Kraft macht sich breit
Und das Blut pulsiert und die Brust wird dir weit
Und du spürst die tiefe Zufriedenheit
Die Geborgenheit und du atmest befreit
Ein Stück Kindewigkeit und bist da und gehst fort
Und verreist und bist dort und das Leben ist dir
Ein heiliger Ort. Du, ach, heilendes Wort

Ich bekomme Besuch in der Nacht vor der Reise

Ich kann nicht schlafen, alle Lieben steigen aus dem tiefen Brunnen des Vergessens in mein Herz, schöpfen dort mit hohlen Händen aus den Quellen meiner Seele eines Regenbogens Freude aus der tiefen, dunklen Erde. Wie mit goldenen, hellen Kellen zu den Sternen Himmelwärts.
Und sie schöpfen, bleich und innig und sie lassen mich nicht schlafen, in der Heimat meiner Träume ziehen Wolken über Felder wie ein Zug von weißen Schafen, die ins Nirgendwo verschwinden
Ach, die lieben, frühen Toten, die in meinem Leben hausen, mich auf Schritt und Tritt begleiten – wann werde ich sie wiederfinden, in den namenlosen Weiten?
Nicki, der in grünen Wäldern, zwischen Seen und roten Häusern, mit dem Fahrrad in die Leere wie mit einer alten Fähre, die versinkt, ins Jenseits fuhr, müde, bitter und doch voller Pläne – Rahel, die schon Jahre früher, als sie eben neues Leben dieser Welt gegeben hatte, sich den Füchsen anvertraute und dem Regen und der Sonne – alle Tode, unverdaute…
Auch Susanne, Billes Schwester, die sich in der Wohnung, in der kalten, meiner Eltern, an den Haken des Vergessens und des Morgengrauen hängte… Alles wattetief Verdrängte steigt in dieser Vollmondnacht, vor dem Flug zurück ins alte, neue und schon längst vergangene Leben und lässt mich partout nicht schlafen, zieht mich vor die weiße Seite eines leeren Blatt Papiers, lässt mich, fast ohne zu denken, Worte für das Ungesagte, viel zu wenig laut beklagte, finden und schwarz niederschreiben, dass die Bitterkeit der Dauer und der Trauer, die drin wohnen, nicht auf immer in mir bleiben – dass sie wie papierene Kähne, angelockt vor letzter Reise auf uns warten, an den Peers, dass wir uns die Zeit „verschreiben“.


 

Plötzliche, simple Erkenntnis in Athen

An die Grenzen gehen, leiden
Schmerzen, Zweifel nicht vermeiden
Das Gefühl der Leere und der Schwere lassen
Trotzdem nach den Sternen fassen
Von verbotenen Früchten naschen
Mit vollem Herz und leeren Taschen
Durch die Welt gehen, Augen offen
In der Nacht auf Morgen hoffen
Nähe suchen, Wärme, Lächeln
Nicht nach kalten Gütern hecheln
Zugreifen, Anpacken, Freude genießen
Auch wenn bittere Tränen fließen
Nichts ist schlimm, solange du lebst
Nach dem Besserfühlen strebst
Nimmst und gibst, grad die nichts haben
Geben oft die größten Gaben
Absichtslos, kein Hintersinn
Geteiltes Los, geteilte Freude als Gewinn
Ach, wie frei fühle ich mich jetzt
Mitten ins Hier sein hineingesetzt
Fühle ich mich schon weniger fremd
Weniger gehemmt vom Totenhemd
Das sich als blauer Himmel tarnt
Und schwarz sich in die Seele senkt
Manipuliert, die es umgarnt
Und auf die Todesseite lenkt
Der Starre, der Passivität
Aufwachen, Leute, es ist nicht zu spät
Richtet alle Energie auf die lebendige Anarchie
Das Leben will Autonomie
Kontakt, Entfaltung, Wachsen in Bewegung
Glückliches Dasein ist eine Segnung
Die man sich selber geben muss
Du, Mensch, leb frei, aus einem Guss
Weg mit dem Todesüberfluss!

Das was ich wirklich fühle

Das was ich wirklich fühle, kann ich mit niemandem teilen Nicht mit Worten, nicht mit Bildern, kann es nur widerspiegeln in dürftigen Zeilen und ablegen in meinem Herzensgrund
Das was ich wirklich fühle, geht manchmal von Mund zu Mund, von Haut zu Haut, von Blick zu Blick und so vieles von meinem und unserem Geschick bleibt unverdaut und macht mir die Seele wund
Aber irgendwie, ich weiß nicht wie, kann ich das alles auch weitergeben, irgendwie, fühle ich, sind wir Menschen alle verbunden, wird das Wichtigste geteilt, um doch irgendwie mitempfunden, in den tiefen Momenten von Liebe und Leben, manchmal auch nur für wenige Sekunden.

Fotogedichte

Gesichter der Müdigkeit, des Lichts, des Schattens, der Scham, der Trauer, der Verzweiflung, der Angst, des Zorns. In den Straßen und Plätzen, in den Bussen und der Metro. Bei genauem, mitfühlendem Hinblicken, nicht zu übersehen. Fotogedichte, aus Respekt vor der Würde der Menschen nicht in Form von Fotos, sondern als Poesie. 


Die bettelnde Geistin

Wie ein Geist ist sie plötzlich in der U-Bahn vor mir gestanden mit weißen Haaren, blauem Pullover und weißen Schuhen und bettelte um ein paar Euro und war fast nicht mehr vorhanden, durchscheinend und würdig und bettelte und hatte offenbar sonst nichts zu tun
Sie sprach nur griechisch, freundlich, schüchtern, ihre Scham verwindend, sah sie mir in die Augen, leeren Blickes. Ich gab zwei Euro ihr, sie dankte , still verschwindend, wie eine Fantasiegeburt des Augenblickes.
Doch sie war echt und ihre Not war es auch und stärker als die Scham und Würde. Ich hatte ein Gefühl, ganz flau im Bauch und eine Ahnung, ihrer schweren Bürde, als sie verschwand, in Metrostaub und Rauch..

 

Griechischer Knabe, neben Mutter und Schwester

Die Augen, die, ich hoffe es von Herzen, die Welt noch sehen werden, wenn ich einmal nicht mehr bin, so leuchtend tief, so traurig, voller Schwärzen und doch auch voller Mut und Eigensinn
Die Mutter, die besorgt mit seiner Schwester spricht, über die kleinen Alltagssorgen, stelle ich mir vor Und da, vor mir, dies schmale, kindliche Gesicht, schaut ernst aus der Vergangenheit empor
Was sind denn tausend Jahre, was sind Katastrophen, gegen den Lebensfunken, der die Welt beseelt. Der einzelne ist nur ein Teil unendlich vieler Strophen und ändert doch das Lied wenn seine Note fehlt
Und ändert doch die Zeit und der Geschichte Richtung oft eine Laune, eine wilde Wut und kann die Wirklichkeit verändern, wie die Dichtung und aus Verzweiflung und aus Tod wird Lebensmut.

 

Idylle in Pyräus

In einer Ecke eines kleinen Parks, im Abenddämmern, kaum versteckt, stehen Einkaufswägen, bepackt mit alten Schachteln und  mit Plastik abgedeckt, als Schutz vor Regen und auf der Wiese sitzen alte, braungegerbte Männer, schmutzig, unrasiert, die jetzt noch laut, lebendig, manchmal lachend, Tavli (Backgammon spielen), so wie man sie auf Griechenlandpostkarten gerne sieht. Das was man nicht sieht ist, wie sie sich dann viel später in der Nacht mit ihrer dort am Rand geparkten Fracht unter dem violetten Hafenhimmel statt in saubere, warme Betten, zum Schlafen unter dürre Büsche legen, oder in Abbruchhäuserhinterhöfe. So mancher ist am nächsten Morgen vor Hunger und vor Kälte nicht mehr aufgewacht. 

Rotblonde Romafrau

Frau, unbestimmten Alters, sitzt, Beine weggestreckt, kraftlos  an ein Geschäftsportal gelehnt, auf bunt bewegter Straße und streckt die Hand mühsam nach einer Gabe.aus. Die Menschen eilen vorüber, auch ich habe, ich gebe es zu zuerst es nicht gewagt ihr in die Augen zu sehen, ging einige Schritte weiter, vorbei an einer goldgelb gut gefüllten Bäckerei, um mich dann endlich wieder zu ihr umzudrehen und ein paar Münzen in den leeren Plastikbecher zu legen. Sie konnte ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln kaum bewegen, doch sah ich sie dann an und sie war leer und schön, ein Mensch, am Ende seiner Kraft und spendete mir einen Blick zurück, nur für mich gemünzt, voll Scham und Hoffnungslosigkeit und einem Hauch von Dankbarkeit nicht weggeschaut zu haben. Münze an der  ich heute noch trage

 

Monastiraki - Station

Drei Schritte aus der U-Bahnstation hinaus und glitzert dort ein lauer Ausgehabend. Beleuchtete Händlerstände mit Touristenware und unterm Sternenhimmel thront im Scheinwerferglanz Akropolis, die wunderbare, wie eine weiße Klippe, von der aus schon manche dem Tod nicht von der Schippe sprangen. Die hohen Säulen des römischen Marktes als Hintergrund für gut-betuchte, junge AthenerInnen in Ausgehlaune und mittendrin in diesem Bild sitzt ein gestürzter Gott, Golem, Alraune, alles zusammen, in weißes Tuch gehüllt, ein Obdachloser, feixt, wirft sich in Pose, wallenden Bartes und langen, zotteligen Haares, fotogeil  (das ich nicht mache) und alle Welt tut so als wäre das normal. Der Abend, lau und schal,  Musik, Erotik in der Luft, tut unbefangen, doch ihm entströmt, ich rieche es genau, ein intensiver, süßer Leichenduft.




Hafenlos

Hafenlos soll meine Seele reisen, aufnehmen die Schiffbrüchigen, die ihre Reise beenden mussten, oft auf sehr abrupte Weise, Hafenlos, nur dem Traumkompass folgend, er wird ihr unseren richtigen Weg schon weisen
An den Nebelinseln meiner ungelebten (und doch auch im Traum gelebten) Leben, segle ich vorüber, an den Klippen meiner Enttäuschungen, Niederlagen, Verluste, alleine, bis auf wenige Stunden. Einmal sind die Zeiten heller, einmal trüber und mein neuer Weggefährte ist das Unbewusste
Dieses sagt mir, lass dich nirgends nieder, wenn du stehen bleibst wirst du zu Salz und Stein. Nirgends sollst du, ist es noch so schön, verharren, lass es ziehen, das Glück, so triffst du es immer wieder, sonst wird es dich fressen, dich verzehren, es wird dir den Stillstand nie verzeihen
Wenn du stehen bleibst, bist du dem Schicksal ausgeliefert, nur wenn du wo fortgehst kannst du wiederkehren, kannst du offen bleiben für das Unbekannte, für die anderen, die an allen Ecken laut geboren werden oder still verrecken
Nur wenn du dich selbst bewegst kannst du die Welt bewegen und so wandern wir getrost, getrennt, zusammen allerwegen in das nur uns Anverwandte

 

Liebe

Die Liebe dauert, überdauert alles, das eigene Leben, Schatten, Höllen, Tiefen, Wir sind nur Tropfen eines Wasserfalles, die einen Sonnenstrahl zu Hilfe riefen, um einen Regenbogen zu entfachen, Kinder aus Licht und Farben, die, auch wenn wir schon längst erloschen sind, an unserer Stelle, lachend unsere Liebe weitermachen. Liebe ist Helle, Freude und Wärme und ein Gefühl im Bauch, als würden wilde Vogelschwärme nisten im Rosenstrauch

   

Sicherheiten

Ein Stück Brot, sauberes Wasser zu trinken, ein Freund in der Not, ein Bett, um darauf in Träume zu sinken Ein Dach, das den Regen abhält, ein Ofen oder eine Decke, die die Kälte abhalten, das ist des armen Menschen ganze Welt und die liebe Sonne und das freie Himmelszelt, gegen die Menschen und gegen die Naturgewalten. Das sind des Menschen einzige Sicherheiten, heute und in allen Zeiten.




Regen in Athen

Es regnet in Athen
Es regnet auf die weißen Rosen
Und auf die Obdachlosen, die da um Almosen
Schlange stehen

Es regnet in Athen
Auch wenn die Sonne scheint
So manche Seele weint, mit anderen vereint
Wer hinhört, kann es sehen

Es regnet in Athen
Die Stadt ist eine Katze, ganz durchnässt
Die sich scheu fallen lässt oder wild, mit Protest
Bereit ist ihren letzten Gang zu gehen

Es regnet in Athen
Europa bleibt nicht trocken
Die heute noch bequem in Fernsehsocken
Ganz angenehm und satt vor ihrem facebook hocken
Könnten bald selbst im selben Regen stehen

 

Am Platz vor der Eisenbahnstation Marousi

Ein Abend, so als wäre ich eben
Woanders hingegangen, um befreit zu leben
Ein Feierabend, lau, entspannt, obwohl es nichts zu feiern gibt
Außer dem Sichelmond und seinem Abendstern
Vor den sich gerade keine Wolke schiebt
An einem Kiosk haben zwei sich gern
Die Läden in den Einkaufsstraßen leuchten: hol
Dir was du brauchst, wir haben für dich offen
Traumkleider, Wunschkaffee, Zornwurzeln…
Noch ein paar Flügelschläge zartes Hoffen
An diesem Abend fühle ich mich wohl
In dieser Stadt habe ich mein Selbst getroffen
Und auch mein Fremdes ist mir plötzlich nah
Ich kann es in meinen Gedichten lesen
Als wäre es schon immer da gewesen
Vielleicht, wer weiß, war`s ja schon immer da

 

Gedanken nach dem gemeinsamen Musikhören

Die großen Worte fallen mir nicht ein
Die Liebe ist ein Traum, geboren aus dem Tod
Sie macht zu einer Blume jeden Stein
Und dem Ertrinkenden ist sie ein Rettungsboot

Sie ist nur Illusion, ein schöner Seelenpfeil
Der einmal abgeschossen nicht mehr dir gehört
Die Liebe macht genauso wieder heil
Was sie im nächsten Augenblick zerstört

Die Liebe ist des Lebens Quintessenz
Dort wo sie hinfällt ist Verzauberung
Dort wo sie auftaucht herrscht der Lenz
Und wer sie einmal fühlte, der bleibt immer jung

 

 

Sonntag in Athen

Sonntag in Athen
Die Menschen laufen Marathon
Alle laufen wir unseren Sorgen davon
Auch die Sonne läuft und bleibt nicht stehen

Vergangenheit liegt in den Straßen und in der Luft
Klarer Himmel und Wolken, langsamer fließt der Verkehr
Ein seltsamer, goldener und blauer Sonntagsduft
Und in meinem Herzschlag spüre ich das Meer

Das Hässliche wird schön und das Leere wird voll
Und das Schwere wird leicht. Wir laufen alle Marathon
Am Sonntag langsamer und das Ziel bleibt unerreicht
Und wir geben uns einen Sinn und sagen: es ist alles so wie es sein soll

Sonntag in Athen
In den Sackgassen schlafen die Hunde
Ich fahre mit dir im Auto und wir können den Weg nicht finden
Verloren drehen wir Runde um Runde
Wir fahren und fahren und bleiben nicht stehen
Und langsam schließt sich Wunde um Wunde
Die uns so lange schon verbinden
Und es kann vielleicht Neues entstehen
An einem Sonntag in Athen

 

In der Metro - Augen, Blicke

Diese Augen, diese Blicke
Kommen aus den tiefsten Schmerzen
Gehen mir zutiefst zu Herzen

Diese Augen, diese Blicke
Singen alte Trauerweisen
Und erzählen Lebensreisen
Von Abfahrt und von Wiederkehr
Liebe, Tod, Geburt und mehr

Diese Augen, diese Blicke
Wache Nächte, leere Zimmer
Schluchzen unter Sternenschimmer
Bahngeleise, Hafenmauer
Familienfeste, Äste, Trauer

Diese Augen, diese Blicke
Jagdgewehre und Gebete
Eine Fähre, Wind, der drehte
Und Gesichter, weggedrehte
Diese Augen, diese Blicke
Badezimmer, Stühle, Stricke
Niemals abgeschickte Briefe
Meerersbuchten, abgrundtiefe

Diese Augen, diese Blicke
Ach mir wird das Herz zum Mühlstein
Wenn ich diesen müden Augen
Meinen Blick entgegenschicke

Diese Augen, diese Blicke
Längst vergangener, besserer Zeiten
Süßer Liebesheimlichkeiten#
Diese Augen, diese Blicke

Was wird morgen, wer wird borgen
Essen, Arbeit, wie besorgen

Diese Augen, diese Blicke
Zukunftsblind, wie von Skulpturen
Kein Orakel, nicht Auguren
Wissen Ausweg aus der Nacht
Höchstens aus dem U-Bahnschacht

Diese Augen, diese Blicke
Niemand weiß wann wird es besser
Leises Flüstern, blasse Spuren
Pillenschrank und Fleischermesser
Zeitlos kalt, ticken die Uhren
Diese Augen, diese Blicke
Die Verschwundenen, die Gefundenen
Niemand weiß wohin sie fuhren
Lasten allen auf der Seele
Schnüren allen zu die Kehle

Diese Augen, diese Blicke
Iphigenie  alle diese
sanft empört in den Gedanken
Gehen würdig, ohne Wanken
Frei in ferne Paradiese
Diese Augen, diese Blicke
Opfern sich für uns, wir danken
Wartend auf die neue Brise
Die uns wieder vorwärts weht
Für die Opfer kommts zu spät
Diese Augen, diese Blicke
Ach wir sollten nicht mehr schweigen
Nicht mehr warten, neues wagen
Laut unsere Empörung sagen
Verblendeten Bedrückern zeigen
Dass es auch ganz anders geht
Manchmal ändern Augenblicke
Die Geschichte und Geschicke
Und ein Wind der Freiheit weht



Unter der Akropolis in einem kleinen Kaffe

Abschied ist eine kalte Angelegenheit
Weil etwas zu Ende geht, wenn`s auch nur weitergeht
Weil uns etwas weiterweht, nichts bleibt bestehen
Und das Ziel ist noch nicht erreicht
Dass der Abschied nicht unser Herz erweicht
Müssen wir es schützen mit Kälte und Panzerungen
Sonst wäre es ja schon ganz zersprungen
Von den vielen Abschieden, die unser Leben abnützen
Sonst würde es ja schon nicht mehr schlagen
Und alle Freude vergessen haben
Könnten wir den Abschied nicht ertragen
Wären wir schon lange begraben
Aber das Gute am Abschied ist der
Vorgeschmack auf Wiederkehr
Und das Gute an guten Erfahrungen ist
Man will davon mehr.-

 


Unter der Akropolis
Pärchen in den Wellen
In den Wellen unserer Haare
Wellen wunderbarer Jahre
schlafen wir den Schlaf des Lebens
Nehmens, Gebens, Nehmens, Gebens
schlafen wir Revolutionen,
auf und ab der Wellenspiele
Sind wir tot?, ach nein, wir schlafen
träumen von dem stillen Hafen
träumen, rings umringt von vielen
die wie wir von Freiheit träuumen
offenen, bunten Lebensräumen
einer Heimat - unsere Erde -
träumen, dass es Wahrheit werde
wie ein Lied aus fernen Tagen
eine Hoffnung, ein Erbarmen
träumen, dass wir uns umarmen
ungeachtet aller Grenzen
Sprachen, Launen, Differenzen
dass wir in das Lebensboot
alle miteinander passen
Liebe siegt über das Hassen
das uns allerorts bedroht
selbst die Liebenden verroht
Alle Reime fahren lassen
ungereimt, doch fest verleimt
ungeahnte Fernen lernen
hingegeben unser Leben
in Vertrauen, Neues bauen
Kurzes Dasein voll genießen
Ach, wir träumen, ach, wir schlafen
Ach, wie ist`s, dass wir uns trafen
unsere wunderbaren Haare, diese Wellen
diese Jahre zueinander sich gesellen
ob im Hellen, ob im Dunkeln
Sonnenschein und Sternenfunkeln
überschreiten wir die Schwellen
aus dem Nichts ins Ungewisse
in die Zukunft, ins Erwachen
wo wir uns das Ganze schön
und richtig häuslich machen
wo wir lachen, nicht mehr töten
wo wir, ohne zu erröten
ohne Eifersucht und Kämpfen
unser Leben liebend leben
nehmen, geben, nehmen, geben
und die Zeit auf dieser Erde
allen Menschen, wirklich allen
so zum Paradiese werde.

Sonne ist jetzt ausgetrunken
Ouzo ist im Meer versunken
Abend ist herabgefallen
Liebende sind abgedunkelt
Sterne haben angefunkelt
und ich stehe auf und gehe
anzusehen aus der Nähe
dieses Paar im Lockenmeer
meinen Träumen hinterher.

 



 

Eine Ahnung

Der Abend fällt auf diese Welt
wo nichts mich hält
ein Hund, der bellt
ein Lied, das scheint
Musik, die weint
Die Schatten kriechen
von der Akropolis hinab
Wieviele Griechen ersehnen
Nur noch das Grab

Der Wind weht, Winter kommt
die Schatten verkriechen sich
in den Ruinen, verstecken sich
vor all zu Satten, die nicht verziehen
ihre Minen, die noch niemals
zu leiden hatten.
Kälte, Hunger, Hass und Scham
Wer noch niemals zu Schaden kam
der kann nicht wissen, was das heißt
wenn man sein Herz den Hungerkatzen
vor die Nase schmeißt
der hat ein ruhiges Gewissen
wenn er den Wohlstand aus sich scheißt
und mehr frisst als er saufen kann
Der hat kein Herz für den armen Mann
der in den Straßen still verreckt
in Abbruchhäusern sich versteckt
in Parks kampiert, im Regenguss
der Nachts sich schmeißt in einen Fluss
der diese Welt nicht mehr aushält
die Sonnenstrahlen und das Glück
der anderen, die auf der hellen Seite wandern
der voll gefüllten Galerien und Schaufenster
die alles haben, ohne zu denken
teure Geschenke, Weihnachtsgaben
die ihre feisten Bäuche laben
und nichts und niemanden um sich sehen
auch wenn sie an der ärmsten Armut
erhobenen Kopfes vorübergehen
Ihr werdet das nicht überstehen
Einmal ist zuviel zu viel,
dann steht das Volk auf-
aus des Spiel!

 

Griechisches Haiku

Iphigenia
Ein stilles Opfer bringst du
Scham für uns alle