21.11.20

 

2. November 2020

Novemberfrühlingrequiem
 

Jetzt ist fast ein Monat vergangen und ich kann dieses Gedicht veröffentlichen, das ich etwa eine Stunde vor dem Terrorattentat geschrieben habe. Ich saß im Auto neben dem Postamt, das Fenster heruntergekurbelt, draußen wurde es dunkel und es war unnatürlich warm für diese Jahreszeit; auf der Windschutzscheibe perlten einige Regentropfen, vom Park nebenan trieb es Blätter auf die nasse Straße, der Himmel war bewegt von dunkelgrauen Wolken, die das Rosa der Abendsonne durchzog. Ich musste irgendwie in dieser seltsamen Stimmung nachfolgendes Gedicht schreiben, es schrieb sich wie von selbst und auch der Titel war klar und musste so lauten: Novemberfrühlingrequiem. 
 
Nachdem ich dann die Briefe aufgegeben hatte, fuhr ich nach Hause und drehte die Abendnachrichten auf. Es ist seltsam das zu sagen, ich bin keinen Deut esoterisch, aber die folgende Sondersendung mit den Schreckensnachrichten über das Terrorattentat erstaunte mich kaum.

 

Novemberfrühlingrequiem

 

Zehn Grad für diese Jahreszeit zuviel,
der aufgeweichte Boden übersät
Von Blättern, buntes Farbenspiel
Das lau Novemberfrühlingswind verweht
 
Stangeneisrosa ziert das Wolkengrau
Den Gifthauchhimmel, überkandidelt
So geht November nicht, ich weiß genau
Wer da sein kitschigsüßes Lied`l fidelt
 
Kapitalismus Tod will letzte Ernte halten
Ehe er selbst zerbirst, ganz von sich selbst verspeist,
Vom Menschen besiegt und den Naturgewalten
Zu guter Letzt zu Tod gehetzt, von selbst entgleist
 
Er stirbt von Klebrigsirup übergossen
Zerrinnt im Dreck, im Lärm und im Beton
Regiert von Kindergreisenvolksgenossen
Die tragen den November in der Kron`
 
Corona, das sie selbst verursacht haben
Krone und Wappenschild der Unersättlichkeit
Sie sind dabei sich selbst das Grab zu graben
Die Erde frei zu machen für eine neue Zeit

11.11.20


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7. November 2020

DIE WELT NACH TRUMP
Von Pandemie und Terrorismus

Beides, Pandemie und Terrorismus, sind menschengemachter Ausdruck derselben gesellschaftlichen Pathologien und eigentlich nur in Zusammenhängen der ihnen zugrunde liegenden Gesamtkontexte begreif- und bearbeitbar. Beides der neoliberalen Globalisierung, Deregulierung, Ungerechtigkeit und Ungleichheit geschuldet.

Am Tag des schrecklichen, wie wir jetzt wissen, vermeidbaren Anschlags in Wien, wurden von Taliban-Terroristen in Kabul 22 StudentInnen ermordet und es vergeht kein Tag auf dieser Welt, an dem die verschiedensten Formen von systematischer Gewalt, Krieg und eben auch Terror, auf Grund einer aus dem Ruder laufenden Weltordnung, nicht einen enormen Blutzoll fordern; meist weitab unserer unmittelbaren Wahrnehmung und alsbald verdrängt. Jeder bloß politisch- administrative oder individualanalytische Erklärungsversuch, ebenso jede blinde, hasserfüllte Verschärfung und Aufrüstung muss ungenügend bleiben und greift zu kurz.

Die Wurzeln für diese Pathologien reichen weit zurück in die Geschichte, vor allem die grausame Kolonialgeschichte, den furchtbaren Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts, den Holocaust und den damit einhergehenden, archaischen Gruppendynamiken des Antagonismus von Mehrheitsgesellschaften und ausgegrenzten, sprich verfolgten und zum Sündenbock gestempelten Minderheiten und den damit verbundenen aggressiven, beidseitigen Verhaltensmustern.

Mit locker aus der Hüfte getwitterten Rücktrittsforderungen an die akut politischen Verantwortlichen ist es da bei weitem nicht getan. Verantwortlich sind wir alle, die dieses falsche, an allen Ecken und Enden krachende System mittragen. Es braucht multifaktorielle, supranationale Lösungsansätze zu grundlegenden Veränderungen der gesamtgesellschaftlichen Umstände, die langfristig tiefgreifende Entspannung durch Dialog, Kooperation und gemeinsames Umsetzen von problemlösenden Reformen, in allen Bereichen des weltweiten Zusammenlebens ermöglichen und egomanischen Konkurrenzkampf, Gewalt triggernde, rasistische Ausgrenzung, skrupellose Ausbeutung und soziopathische Empathielosigkeit durch liebevolle Weltoffenheit und gemeinsame Lebensfreude ersetzen:

Globale Anerkennung und Ausbau der Menschenrechte, insbesonders des Asylrechts, Aufwertung und Effektivierung der internationalen Organisationen, wie UNO und WHO, Erziehung zu Frieden und lebendiger Demokratie bei Anerkennung kultureller Vielfalt (ohne faule Kompromisse mit menschenverachtenden Religionen und Ideologien), nachhaltiges, Ressourcen schonendes, vor allem mehr regional verankertes Wirtschaften, das auf Gerechtigkeit, fairen Austausch und solidarisches Teilen ausgerichtet ist, umwelterhaltende Energiewende, sofortigen Stopp der Waffenproduktionen mit dem Ziel der Austrocknung aller aktuellen Konflikt- und Kriegsherde, Authentizität und Glaubwürdigkeit in allen Formen medialer Kommunikation.

Dies nur einige m.E. notwendiger Maßnahmen, in deren Sinne jede aktuelle, national getroffene Krisenmaßnahme durchdacht und möglichst nicht nur von politischen Partei- und Regierungs-FachidiotInnen, sondern allen Menschen, dem planetaren Souverän, besprochen, mitgetragen und realisiert werden sollte, um das kostbarste Gut - Menschenleben - wirkungsvoll zu schützen und zu bewahren!

10.7.20

Einladung zur Lesung

ihr lieben,
ihr seid herzlich eingeladen. selbstverständlich unter einhaltung aller zeitbedingten vorsichtsmaßnahmen. aber achtung!!! :
gedichte können zweifel nähren, kritisches denken fördern und die präpotenz des herrschenden systems gefährden.
 
 
 

5.7.20

Welt(w)ende?!


4. Juli 2020

Lebenszeichen im 68. Jahr


Ja, ich stecke auch zuweilen den Kopf in den Sand und ziehe ihn ab und zu wieder heraus, um zu sehen ob die große Flut noch nicht gekommen ist.
Ja, auch ich habe Angst, diese uralte Angst, die in allen Wesen ist und die so leicht geschürt und instrumentalisiert werden kann, von skrupellosen Angstausnützern, die ihre eigenen Ängste und ihre Menschlichkeit betäubt haben, damit sie besser leben können vom Blut und vom Leben der Anderen.
Sie lügen uns täglich an, um den Tod besser verkaufen zu können. Werbung für krankmachende Autos, für todbringende Waffen, für chemisches Zeugs das Luft, Boden und Wasser vergiftet und alles was lebt, für Süchte und Sehnsüchte aller Art, für künstliche Bedürfnisse, die „unbedingt“ befriedigt werden müssen. Werbung redet uns den Tod schön. Niemand fragt uns je, ob wir das wollen, ob wir all den aufgeblasenen, schöngefärbten Plunder und Sondermüll, den sie uns für ihre Profite produzieren lassen und dann auch noch zum bedingungslosen Konsum anpreisen und andrehen, auch wirklich brauchen und wollen. Niemand fragt uns, was wir wirklich brauchen, niemand ist wirklich an uns interessiert.


Niemand, sie, das sind alle, die sich in dieser Beschreibung wiedererkennen.
Sie preisen die Zukunft an, die sie täglich zerstören, die „lieben Tiere“, die sie skrupellos töten, die Natur, die sie schänden, sie versprechen uns schöneres Wohnen, günstigere Kredite, bessere Bankzinsen, Häuser, die die Landschaft zersiedeln, Autos, die unsere Lungen vergiften, Urlaube, die uns eine heile Welt vorgaukeln, Essen und Medikamente, die uns schlank sportlich, jung und glücklich machen. Und sie wollen nur unsere Arbeits- und Lebenskraft, Ausbildung statt Bildung, gerade genug damit wir funktionieren und für ihren Reichtum und ihr Wohlergehen bis zum Umfallen arbeiten können, erschöpft, gekränkt bis zur Erkrankung, ums schöne Leben gebracht. Und in der "Freizeit lenken sie uns ab, verblöden sie uns mit für sie lukrativen Sportarten, Moden und Spielen haltungsloser Unterhaltung in allen Saisonen, bieten uns mörderische Blockbuster, Killer-konditionierende Computerspiele für die lieben Kleinen, primitive, immergleiche, todlangweilige Krimiserien, die vor Tod und Banalität strotzen, zum Weinen und zum Erbrechen kitschige Schlageraffen und Äffinnen, oberflächlichste und kurzatmigste Informationsformate und harmlos dahinplätschernde „Nichtdiskussionen“, Plauderschwatzsendungen, die sich als Infotainement ausgeben und Dauer-Lügenwerbung auf allen Kanälen und Netzen, dass sich die Balken im Auge biegen. Lügen verschleiern, den fatalen Trend zu entmenschlichten Gesellschaften der Ungleichheit und des mörderisch-kriegerischen Konkurrenzsystem-Wahnsinns. Und die große Mehrheit der Mitmenschen schluckt all das (noch), erschöpft, verängstigt und manipuliert. Ach ja, und die Wirkkraft korrupter Demokratien endet an den stählern-gläsernen Festungsportalen und Mauern der Banken, Chemiekonzerne, Großindustrien.
Die Coronakrise zeigt viele sonst verborgen gebliebene Missstände auf, die Grenzen des Wachstums und die Vulnerabilität neoliberaler Globalisierung und bringt zwar manche, kleine Einsichten und lebensnotwendige Reförmchen auf den Weg; aber im Vergleich dazu wird die Umwelt- und Klimakrise, in die die Coronakrise ja als Teilkonsequenz eingebettet ist, gigantische und kaum mehr korrigierbare Katastrophen herbeiführen. Alle wissen es, "everybody knows" wie Leonard Cohen weissagend sang, doch die nötige, radikale, wirtschaftliche und politische Systemwende bleibt (voerst) aus.
Und doch gibt es auch anderes, erfreuliches.
Den strengen Richter, der nach stundenlanger penibler Verhandlung dem jungen Afghanen den subsidiären Schutz zuerkennt, mit einem freundlichen Lächeln, endlich, und der damit höflich, aber klar, die Aberkennung und die Abschiebung nach Afghanistan, die die Fremdenpolizei vom BFA, in bewusster Unmenschlichkeit, wie schon so oft erfolgreich anstrebte, abschmetterte.
Die Zivilgesellschaft, die für die Menschenrechte aufsteht, aber auch Polizisten, die die Schilder und Knüppel niederlegen und vor Anti-Rassismus-Demonstranten niederknien. Menschen wie Assange, die Verbrechen des Militärs gegen die Menschlichkeit aufdecken, auch wenn sie dafür der Freiheit beraubt und in Lebensgefahr gebracht werden. 

Menschen aller Lager, Überzeugungen, Kulturen, Religionen, die empathische Menschen geblieben sind und sich für den Schutz der menschlichen Lebensgrundlagen und für das Gemeinwohl, lebendige Demokratie und sozial- und umweltgerechte Arbeit und Wirtschaft, überall in der Welt einsetzen. Alle Menschen, die sich Anstand, Gewissen und autonomes Fühlen und Denken bewahrt haben und Zeichen des Lebens, der Liebe und der Zukunft setzen, kleine und große, tagtäglich, unter Mühen und Schmerzen, oft nicht beachtet und gewürdigt. Es werden weltweit immer mehr, die spüren und wissen, dass es so nicht mehr weitergehen kann. In den ehemaligen Kolonien, von Afghanistan über Syrien, den Jemen, Afrika, Lateinamerika, bis in die imperialen Hochburgen wie der USA, China, Russland und Europa. Das Bewusstsein zusammen in einem Boot zu sitzen und nur eine Erde zu haben, wächst. Unsere grenzenlos geeinte Kraft und unser Einsatz, wo wir auch seien und so gering er auch manchmal nur sein kann, wird das Weltende abwenden und die Weltwende bringen.

4. Juli 2020

In Ruh`

Gedicht an mein inneres Kind

Ich bin noch da,
die Bäume vor dem Fenster auch
Ich kann noch sehen, hören, fühlen, denken, was für ein Genuss
Das Alter macht bescheiden, ich habe was ich brauche
Ein Dach über dem Kopf, Wasser aus der Leitung, einen gefüllten Bauch
Und wenn du aufwachst, einen Gutenmorgenkuss.
Die Äste wiegen sich im Wind
die Morgensonne schickt ihr Licht
dazu. Zufrieden lacht mein inneres Kind
Ich widme ihm dieses Gedicht
und gehe wieder zu Bett, in Ruh`

8.5.20

„Beule gangen“






























Ende 1944 sind wir von der Panzerausbildung im Burgenland desertiert.

Interview mit meinem Onkel Franz Paukert (1930- 2002), vom Frühjahr 1983 


Franz: Wir hatten die vormilitärische Ausbildung, so hat das geheißen und von dort wären wir zum Volkssturm mobilisiert worden. Um das zu verhindern, sind wir, eine Gruppe von Freunden, dann hergegangen und haben uns immer freiwillig zu Ausbildungen gemeldet.

Zuerst bei den Fliegern. Da haben wir einen Fliegerkurs gemacht als Segelflieger, so haben wir begonnen. Und als wir gesehen haben wir machen Fortschritte, habe ich mich zum Rapport gemeldet. Dort habe ich gesagt, mich freut das nicht mehr bei den Fliegern, das sagt mir nicht zu. Ich ginge lieber zu den Panzern. Und die haben mich gefragt wieso auf einmal? Ich habe gesagt: mir ist es lieber auf dem Boden zu kämpfen, in der Luft taugt mir das nicht. Dann haben wir einen Bescheid bekommen, dass wir zur Panzerausbildung abkommandiert werden. Dann sind wir nach Klein-Neusiedl gebracht worden. Dort war der Panzerunterricht. Dort haben wir mit der Schule begonnen, aber das Ganze ist sehr unsympathisch gewesen. Na, dann haben wir wieder dasselbe gemacht. Ich habe mich zum Rapport gemeldet und dort habe ich gesagt: die Panzer taugen mir auch nicht, ich glaube die Infanterie ist für mich besser. Und von der Infanterieausbildung sind wir dann „beule gangen“ (desertiert).

(Meine Mutter Elli, seine Schwester): Zwei Monate wart ihr dann versteckt in den Kleingärten. Du bist einmal gekommen, hast den Militärmantel angehabt und das Zivilkappel auf dem Kopf…
Franz: Ich weiß nicht mehr genau. Ich hätte gesagt, das war gegen den Winter zu. Im Jahr 44. Ja, da sind wir dann in der Nacht „beule gangen“ (desertiert) und da sind wir zum Bahnhof in Rust gekommen, in der Nacht haben wir uns hingeschlichen und da sind wir erschrocken. Da war eine ganze Partie (Gruppe), das war eine Kompanie und ein paar Offiziere waren dabei Und die waren richtig auf Zack, Habt acht und was weiß ich, alles mögliche. Und da haben wir es probiert.
Weißt du was, sag ich zum Peter, zu fünft waren wir, weißt du was, wenn der Zug einfährt und die fangen an sich aufzulösen, mischen wir uns unter sie, denn die Uniformen von uns waren die gleichen wie ihre, nur Kapperl habe ich keins gehabt, das habe ich vergessen. Und tatsächlich, der Zug ist eingefahren und die Kompanie hat das Kommando bekommen den Zug zu besteigen, und wir waren schon dabei und sind mit ihnen zugestiegen. Sagt einer von denen zu uns:

He, was macht denn ihr zwei da?
Sage ich: Was sollen wir machen, wir fahren nach Hause.
Seid`s „beule gangen“?
Na freilich, was hast du denn geglaubt, sage ich, wo fahrt`s denn ihr hin? (lacht)
Sagt er: Wir gehen auch alle „beule“ (Onkel Franz lacht laut)

Haben die das so organisiert gehabt, als ganze Kompanie, richtig offiziell, sind alle ausgerückt und sind desertiert. Und dann waren wir in Wien und ich habe dann die Erika (Schwester) kontaktiert, denn unsere Mutter durfte nicht wissen, dass wir desertiert waren. Und den Winter über waren wir in den Kleingärten versteckt und haben kleine Sabotageaktionen durchgeführt, bis zum Kriegsende halt.