8.4.06

Kommentar der anderen Art/Frühlings- und Ostergruße

Hier ein Mail an Mischa Jäger vom Standard. Ein Schnellschuss über dessen Nichtveröffentlichung ich nicht böse bin, aber dass nicht einmal ein Antwortmail kam fand ich nun doch unhöflich. Vielleicht wars ihm zu unpolitisch? Zu scharf kanns nicht gewesen sein, auch nicht persönlich beleidigend, wie z.B das

Rauschernde Gebetsmühlenliedchen

Es rauschert so leise die Mühle am Bach
Schwach, schwach
Und hat auch die Republik Feuer am Dach
Ach, ach
Lieber schmeichelt die Feder bei den Grünen sich ein
Er will auch beim Bauchnabel Aufdecker sein
Aber bitte nicht bei sein,
aber bitte nicht bei sein!

Es bauschert die Hose beim Senior sich
Kurz kurz
es rauschert der Wind der ihr hinten entwich
furz furz
zum Glück schreibt die Feder keck, furchtlos und frei
wie schrecklich die Kurzhosenmode jetzt sei
nicht die Asylrechtschweinerei
her mit der Hosenpolizei

das ich in vorauseilender Selbstzensur wohlweislich unterdrückte. Der Standard hat halt offenbar so seine kumpelhaften "A-Fian-itäten" und die soll man ihm auch ruhig lassen. Euch aber soll mein Frühlingserguss nicht entgehen. Fröhliche Ostern!

Sehr geehrter Herr Jäger
Hier ein Vorschlag für einen Kommentar der Anderen

27. März 2006

Am Rande des Abgrunds – der Frühling
Mein Österreichbild


Wien atmet wieder im Frühling. Erschöpft und mitgenommen haben die Menschen den Winter verlassen. Woher kommen die alle, in welchen Kisten und Kartons haben sie die letzten Monate zugebracht? Nackte Schultern, entblößte Bäuche blitzen auf im Passantenstrom. Schon ist es zu heiß unter dem Sakko, schon herrscht Urlaubsstimmung mit Eis am Stiel und Tropical Coctail. Der Gewerkschaftsboss ist zurückgetreten, Saddam tanzt Boogie-Woogie mit dem Sonder-richter, Milosevic ist als blutiger Osterhase auferstanden, meine Mutter ist vor zwei Wochen gestorben. Wen kümmert das? Der Feinstaub flimmert golden (oder bilde ich mir das nur ein), in den Bronchien brechen die Krokusse durch, die Kostümmozarts der Wiener Fremdenverkehrswerbung verlieren Perrücken und Contenence, bunte Motorradpferde (todbringende) werden stolz von Übergewichtigen am Zügel vorgeführt. Die Autofahrer verwechseln das Gaspedal mit der Hupe, schöne Cabriofahrerinnen führen gestenreiche Selbstgespräche mit der unsichtbaren Freisprecheinrichtung. Der Asphalt und das Pflaster decken mühsam, aber
erfolgreich die sich aufbäumenden Graswurzeln ab.

Unbeschreiblicher Stadtfrühling, dass du überhaupt Stadt- findest ist erstaunlich, nach so langer Ab-verwesend-heit. Erstaunlich all das Leben ringsum, das den ganzen langen Winter abgetaucht war, in Vergessenheit geraten. Der Frühling ist eine ansteckende Krankheit, anders als die vieldiskutierte Vogelgrippe, eine ersehnte Pandemie. Er steckt alle Alters- und Gesellschhaftsklassen an. Der Frühling ist ein
klassenloser Gratishaupttreffer in der Klasselotterie für jede und jeden.
Die Krückstöcke knospen, die Glatzköpfe flaumen, Lächeln zeichnen sich ab, Falten entspannen sich, Kontakte entspinnen sich, Gestelle jeder Art enthüllen sich. Alles was Flügeln hat, steht – auch die gefallenen Engel stehen wieder königskerzengerade. Auch in den Krankenhäusern und Hospizen ist, was noch am Leben ist, sonnenbeschie-nen. Die Friedhöfe erwachen zum Leben, ebenso wie die Bordelle. In den Stein- Straßen und Plätzen entwickeln sich allerlei Beziehungs- und Kurzweilgeflechte, verwurzeln sich in den Schanigärten und Kaffehausterrassen, vertreiben Trauermoos, Griesgramfilz,Inter-spinnen-netze und Langweilnebel der kurzen Wintertage.
Wieder ein Jahresring mehr unter den Augen. Zynismus ist gerade noch kein rezept-pflichtiges Medikament geworden. In der Innenstadt sprießen Trostpflastersteine unter augenweidenden Touristen und in den Geldbörsen werden die Euro zu vierblättri-gen Kleeblättern mit denen man/frau sich allerdings keine „luckerte“ Krone kaufen kann. Heller heißt die Währung im Frühling und sie wird gratis verteilt , in den „Anker“ plätzen, Würstelbuden und BAWAG-Filialen.

Hand aufs Herz, wen kümmern am ersten richtigen Frühlingstag Novemberwahlen, blaue Orangen, Vogel- und Gusenbauer, alte Hüte und Schüssel und die EU-Ratspräsi-Tant-schaft. Nicht einmal zweisprachige „Proporztafeln“ mit oder ohne Schildbürgerstaats-streich können uns imponieren oder hinter den schüchternen Primeln hervorlocken. Nicht einmal ein weises staatsoberhäuptliches Lächeln aus den Schuhen des Fischers weiß schwerer zu wiegen als ein Büschlein Himmelsschlüsselchen.
Die Politik hat das Primat über die Wirtschaft verloren geht die Saga, nicht erst seit Gugging. Narretei. Der Frühling übt sein Diktat aus über beide und alles.
Frühling, Frühling über alles…! Gott (oder Pröll) schütze uns vor dem nächsten Winter!

Willi Stelzhammer

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