5.1.15

Sicher zwischen den Stühlen



5.1.2015



Wir brauchen dringend neue Formen der demokratischen Konfliktaustragung und Konfliktlösung, demokratischer, dialogischer und polylogischer Verhandlungen, auf der Grundlage von Kompetenz, Wissen Vernunft, Gefühl und Mitgefühl (Empathie) im Sinne des Neurobiologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Joachim Bauer (das kooperative Gen) der feststellt, dass Ausgrenzung immer wieder nur neue Aggressionen auslöst. Die menschliche Entwicklungsgeschichte muss unter diesem Aspekt betrachtet werden.

Also auch wenn bisher große gesellschaftliche Wandlungen nur durch blutige Kriege und Revolutionen zustande gekommen sind und natürlich die Freiheitskämpfer der französischen Revolution und auch anderer Revolutionen vor und nach ihr, meist opferbereit und heldenmütig agiert haben, war der Fortschritt und der Wandel, auch zum Besseren hin, immer mit ungeheuren Opfern und schrecklichem Blutvergießen verbunden. Dieses durch die äußeren, unerträglichen Umstände genährte Aufbegehren, hat eine unaustilgbare Hoffnung, ja Gewissheit geschaffen, dass gesellschaftliche Veränderungen möglich sind, aber die Überzeugung, dass dies ausschließlich durch brutale Anwendung von Gewalt machbar ist, gilt es, meines Erachtens, nach den zwei Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, den zwei unvorstellbar grausamen Totalitarismen und dem unfassbaren Ereignis, des zur perfekten bürokratisch-industriellen Tötungsmaschinerie gewordenen rationalen, banalen Bösen des Holocausts, zu überdenken und zu relativieren.

Nach diesen leidvollen Erfahrungen und schließlich mit dem, durch den Atombombeneinsatz in Hiroshima und Nagasaki für alle unmissverständlich gewordenen Faktum, dass die Menschheit über die wissenschaftlich-technologische Kapazität verfügt sich selbst auslöschen zu können, nach der Niederlage der damaligen Supermacht USA gegen den materiell weit unterlegenen Vietcong und vor allem gegen Ende des Jahrhunderts, dem weitgehend friedlich verlaufenen Zusammenbruch des so genannten Ostblocks, wie sehr wurde damals die Besonnenheit der Akteure gelobt, die den Mauerfall ohne Blutbad bewerkstelligte, wäre es an der Zeit, dass die Herrschaftszentren der Welt erkennen, dass es, nach dem Fiasko in Irak und Lybien, auch in ihrem eigenen Interesse liegt Macht, Produktionsmittel, Wissen und Reichtum möglichst friedlich zu teilen, anstatt zum Halali des letzten Aufgebotes um die fossilen Bodenschätze und die ökonomische Weltherrschaft zu blasen, zum Vorteil aller und zum Überleben der Menschheit auf einem möglichst intakten Planeten. Ich weiß, das Gegenteil scheint der Fall zu sein, aber wer kennt schon die Meinung und das Wollen der großen Mehrheit der, bis jetzt weitgehend entmachteten Weltbevölkerung? Und wer fragt danach?

Die eingefleischten Vertreter der zu Totalitarismus und „Sieg“ strebenden Ideologien und gewaltbasierten Konfliktaustragungsmethoden des vorigen und vorvorigen Jahrhunderts, , nicht nur die erzkonservativen oder  zum Postfaschismus tendierenden, sondern auch die sogenannten Linksextremen, sollten sich vom Sektierertum und dem Glauben sie könnten alleine den Sieg durch welchen Klassen-Ideologie-, Kultur-oder Religions-Kampf auch immer, davontragen, befreien und den, fürs erste, vielleicht unbequemeren Weg des Dialogs und des Verhandelns gehen. Nazis sind ebensowenig wie Kommunisten oder sogenannte Islamistische Terroristen als solche zur Welt gekommen. Sie waren hoffnungsvolle Kinder wie wir alle, die durch ererbte, oft traumatisierende Umweltbedingungen, Inkulturation, oft gnadenlose Indoktrination und beengende, repressive Gesellschaftsverhältnisse zu dem gemacht wurden, was sie schließlich meinten sein zu müssen. Die einen haben den Holocaust, mit all seinen, bis heute wirkenden Folgen zu verantworten, die anderen, die heldenmütig gegen das Hitlerdeutsche Weltvormachtsstreben gekämpft haben, haben ihren Opfermut teuer bezahlt, denn ihre Machthaber haben sie in die Unfreiheit eines totalitären Stalinismus gezwängt, mit Millionen von Opfern in den Gulags und Irrenhäusern.

Die, die nicht zwischen Skylla und Charybdis wählen wollten, oder mussten, die Widerstand leisteten oder flüchten konnten in die die freie Welt des Westens, oder die das Glück hatten auf der richtigen Seite des eisernen Vorhangs gelandet zu sein und die am Wiederaufbau des Wohlstandswunders teilnehmen konnten und an der Entwicklung unserer postkolonialen und posttotalitären Demokratien, die hier in Europa eine noch nie dagewesene Zeit des Friedens erlebten und den Aufbau eines vereinten Europas, das sich vor allem als Friedensprojekt verstand, die, - aber in Wahrheit sind es wir alle, die jetzt die neoliberale Globalisierung und die vielfältige Gesellschaftskrise desorientiert miterleben, dieses tektonische Vorbeben eines gigantischen, systemischen Paradigmenwechsels in allen Bereichen, der sich in allen Facetten unseres Lebens und unserer Gesellschaft ankündigt- zumindest in unseren Breitegraden in einer wohlgesicherten, wohlhabenden, mit allen technischen Möglichkeiten ausgestatteten und reichen Informationsgesellschaft leben, trotz relativer Armut im Gegensatz zur dritten Welt immer noch im relativen Luxus, wir können uns unserer sowohl universellen, als auch individuellen Verantwortung nicht entziehen, zu entscheiden wie wir uns gegenüber zunehmend sich selbst entmachtenden, völlig überforderten oder korrupten, politischen Eliten, die bereit sind das Friedensprojekt Europa auf dem Altar der sich in kriegerischer Konkurrenz befindlichen Großkonzerne, Oligarchien und Bankenkonglomerate zu opfern und ganze Bevölkerungen und Länder als Sündenböcke dem Elend und der Katastrophe zu überantworten, positionieren.

Wir müssen uns, jeder, jede für sich entscheiden, ob wir in die Propagandaschlachten der Kriegstreiber einsteigen, unseren Platz in den jeweiligen Schlachtreihen der Streit- und Kriegsparteien beziehen, oder ob wir unseren selbst gewählten Platz der kritischen, unabhängigen Distanz und der Partei- und Anteilnahme für die Notleidenden der herrschenden Verhältnisse und Entwicklungen und für friedliche Konfliktlösungen beziehen, einen Platz der unbeugsamen Haltung für Menschenrechte, Selbstbestimmtheit, Freiheit, Respekt und Achtung des anderen. Den Platz der Empörung, der für Solidarität und Kooperation gegen Hass, Ausgrenzung, Rassismus und Gemetzel steht, auch wenn er sich derzeit vielleicht zwischen allen Stühlen befindet. Das ist auch nicht frei von Eigennutz, denn:

Die Position zwischen allen Stühlen zu sitzen ist zwar unbequem, aber auch geerdeter. Es fördert die Selbstachtung und Selbstsicherheit. Man hat den Arsch auf dem Boden und kann nicht so tief fallen.

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