21.3.12

Abschied von meiner Freundin Eva Brunner Szabo

Jänner 2012


Eva

Das was du bist ist intakt, unsterblich, einzigartig da
Das was du bist ist nicht krank, das was du bist ist mir nah
Unzerstörbar ist es du, jeder Atemzug, Gedanke, jedes Blitzen deiner Augen
Deine Skepsis, deine Schnippigkeit, dein lakonischer Witz
Welche Himmel können die uns vorenthalten

Niemals sehen wir dich fromm deine Hände falten
Oder sprachlos akzeptieren Dunkel und Gewalten jeglicher Provenienz
Dich besiegt der Tod nicht, denn du lebst außer Konkurrenz
Deine Vorstellung von Sein und Existenz

Bist ein Vogel aus dem Nichts, klein, unscheinbar
Faszinierend und verlockend wunderbar
Eine verwandte Seele, gut in vielen aufgehoben
Wollen deinen Tag noch vor dem Abend loben
Und dir unsere Liebe sagen

Wir, die wir dein Schicksal mit Dir tragen
Wir sind lebenslang von Dir bewohnt
Durch dein Dasein sind wir reich belohnt

Eva, auf dem Flohmarkt der Ewigkeit
Geht dein Film niemals verloren
Irgendeinmal wird er neu geboren
Eva, du gehst uns nicht verloren


Eva stirbt

Eva stirbt –  der Frühling geht ins Land
Was wollte er mir sagen dieser Leichenwagen
Von links nach rechts heute morgen
Jetzt halte ich deine kalte, matte Hand
Und höre dich letzte, spitze Seufzer sagen
Du bist schon jenseits aller Not und Plagen

Du gehst den letzten Weg als Kunstwerk aufgebahrt
Ich denk an deine Fotos in Großmutters Totenhemd
Gespenst aus Stroh und Wachs
Ein Lebensfunke von Erinnerung bewahrt
Dein schöner Kopf, fahl, schütterschwarz behaart
Und über ihm die Maske eines Dachs

Ein frecher Dachs warst du und wieselflink
Ohnmächtig eigenwillig, von blitzender Intelligenz
Sensibel und verletzlich, ein sarkastischer Spatz
Ich habe dich geliebt als Freundin Gegensatz
War ich ein Schmalztopf warst du ein Korn Salz
War ich ein Ausrufzeichen, warst du schlichter Punkt
Und keusch warst du, war ich ein Hahn in Balz

Deine Ergänzung brachte stets Erglänzung
Durch deinen tiefen Humor hats zwischen uns gefunkt
Du bist eine liebende Künstlerin
Ich hab nicht viele Freundinnen,
Eine warst du

Im Schöpfen waren wir uns nah verwandt
Du stirbst jetzt – und der Frühling geht ins Land
In meinem Herzen bleibst lebendig Du
Und keine Ruh!

P.S.: Und wieder einmal habe ich die richtigen Worte erst zu spät gefunden
Ich hoffe sehr du hast sie schon vorher empfunden

Es ist die Liebe

Es ist die Liebe, die uns wiederkehrt,
uns jeden Frühling neu beehrt
Das Wachsen bis zum Sterben – diese Dehnug
die uns vom Anfang bis zum Schluss verzehrt
und unbarmherzig jeden Trost verwehrt.
Gestattet mir noch die Erwähnung:
Wir lebten gar nicht wär sie uns verwehrt.


I bin a Monument aus Schmoiz


hoffantlich hoits!
I brauch Pfeffa und Soiz
I bin leicht zum eibrodn
daun kaunst in Schmoiz wodn
weu do schmüzt mei Stoiz

I bin a Monument aus Schmoiz
des is vielleicht net gaunz konform
und ziemlich sicha aus da Norm
Aus mia kaunst ka Reiterstaundbüd mochn
ka Denkmoi aufm Hödnplotz
nua schmoizige kitschige Sochn
weu i sunst umanaundapotz und zrinn
weu i a echta schmoizoff bin
So haum mi meine Ötan gmocht -
sentimental und woch und doch
waun i koit augwaht wia
wia i hoat, robust und kumm
a leicht in Foat

Des is ka Lercherl, gfruranes Schmoiz
waun i mit hoatm, gfruranan Schmoiz
üba de Gegner drüberwoiz
do bin i plötzlich nimma zoat
mit schaurig-schrecklichem Gramlboat
Oba, waun ma mia schene Augn mocht
und woam und freundlch kummt und locht
daun schmüz i weg
wia Schnee im Dreck
wia Schmoiz im Pfaundl
aum Gänglbandl der Gefühle
und sehne mich nach einer großen Kühle
noch Brod und Soiz
zu mein fadn Schmoiz

Eva – ave!

Abschiedsgedanken beim Glasorgelspiel

In der Zwischenwelt der Töne und des Lichts
Im Schweigen und den ungeweinten Tränen
Im Eismeer allen jubelnden Verzichts:
Der unsichtbare Schwan zwischen den Schwänen

Die Kunst des Alltags ist mit dir gefärbt
Im Morgenlicht begrüße ich deinen Strahl
Und wenn der Schmerz mich überwältigt
Stehst du vor mir schmal und unsentimental
Und lächelst.


Schwarzer Vogel Traurigkeit

Schwarzer Vogel Traurigkeit
fühle in meinem Blut deinen Flügelschlag
im Geäst der Nerven sträubst du dein Gefieder
färbst den Frühling mirzu dunklem Tag
lässt dich kalt in meinem Herzen nieder
wo es Tränen schneit

Schwer bist du, aus Blei, wild pickt dein Schnabel
unbarmherzig auf dieselbe Stelle
ich will aufstehen, doch es ziehen schwere Kabel
mich hinunter in dein Unbekanntes
Unüberwindlich scheint des Auswegs Schwelle
ewig unerreichbar alles Helle
es versklavt mich etwas Unbenanntes
und ich wäre doch so gerne frei

Flöge gerne mit dir in unvorstellbare Weiten
wie ein beflügelter Stein, ein Stern aus Schmerz und Glück
Ach, wie gerne würde ich dich begleiten
Doch der schwarze Vogel Traurigkeit – er muss
ein Freund sein – und von dir geschickt,
hält mich noch zurück

Nichts ist zu Ende

Nichts ist zu Ende solange der Lebensbaum blüht
solange die Sonne verglüht
nichts ist zu Ende, solange deine Hände
den Atem der Erde trinken
Nichts ist zu Ende solange die Blicke der anderen winken
durch den Schleier der Tage, durch die Nacht der Zeit
Nichts ist zu Ende solange die Gräber sich öffnen
und die Zukunft gebären.
Nichts ist zu Ende solange wir begehren

Grabrede

Eva, ich danke dir, dass ich dein Freund gewesen sein durfte.
Es gab eine Eva und es gab viele Evas. Einige habe ich davon gekannt, von ihnen will ich hier reden. Andere habe ich nur geahnt und gefühlt – Eva als leidenschaftliche Tante, Eva als Frau und Liebende, Eva als Tochter und Schwester, Eva als intime Freundin und tiefgründige Feministin...
Ich habe Eva als politischen Menschen erlebt, als femina politica. In der Sozialbewegung, im Kampf für Asyl- und Menschenrechte und vor allem für freie Meinung und für freie Radios.
In Wien und in Kärnten haben wir Piratenradios organisiert, Sendungen konzipiert und gestaltet, die Zensoren der Rundfunkbehörden an der Nase herumgeführt. Freie Radios konnten wir durchsetzen und auch sonst so manche positive Veränderung, - aber soviel bleibt noch zu tun!
Sie war eine treue Freundin, für mich ein Pfeiler der vielgenannten Zivilgesellschaft, nicht der operettenhaft aufgeblähten Chimäre derselben, die in Wahrheit nur Vorfeldorganisationen am Gängelband der Parteiblöcke ist, sondern jener in tausenden Assoziationen verwobenen, zusammengesetzt aus feinfühligen, autonom denkenden, engagierten Menschen, die sich in Bewegung setzen wenn soziale und politische Zustände und Entwicklungen unaushaltbar werden, wie beispielsweise damals 1993, mit dem Lichtermeer gegen das „Ausländervolksbegehren der Haider-FPÖ, ein Volksbegehren, das sich erstmals existenziell bedrohlich gegen Menschen richtete, oder zur Zeit der darauffolgenden schrecklichen faschistischen Briefbomben-Terroranschläge gegen Asylsuchende, MigrantInnen und Menschen fortschrittlicher, humanitärer Gesinnung, die in dem unvergesslichen ersten politischen Mord der zweiten Republik an den vier Roma-MitbürgerInnen und Mitmenschen in Oberwart, deinem Heimatort, gipfelte.
Eva war ein mutiger, engagierter Mensch und sie war da wenn man sie brauchte. Sie fehlt nicht nur als Mensch, sondern – und das hätte sie vielleicht aus Bescheidenheit nicht gerne gehört – als seltene ethische und politische Größe, als Teil eines utopischen Gegenentwurfes zu unserer krisenhaften, korrupten, immer menschenfeindlicheren und ungerechteren globalen Gesellschaftsordnung; sie fehlt schließlich als Künstlerin.
Sie fehlt wie Peter Kreisky, wie Dieter Schrage und mir persönlich noch viel mehr als diese, denn wir waren uns, bei aller Verschiedenheit der Charaktere und Temperamente vor allem in Belangen der künstlerischen Sensibilität und Kreativität sehr nahe. In einer Nähe, die ich nur mit wenigen so teilen konnte und kann und deren Echo sich in unserem gemeinsamen Film Kontinent: Alter über die Wirklichkeiten der mobilen Pflege älterer Menschen wieder findet.
Alain Badiou, der französische Philosoph sagt in seinem letzten Büchlein „Lob der Liebe“ einen treffenden Satz: Die Liebe ist aber wie jedes Wahrheitsverfahren wesentlich uneigennützig. Ich habe das Gefühl im Sinne dieser Interpretation von Liebe waren wir alle hier in deiner Liebe eingeschlossen. Und wir können, bei aller Trauer und bei allem Schmerz auch jetzt noch etwas für dich tun.
Ich als Agnostiker glaube daran, dass geliebte Menschen in einem weiterleben, dass wir uns bemühen können sie und ihre Essenz in uns lebendig zu halten. Das wird bei dir, Eva, schwierig sein, denn du warst bei aller Menschlichkeit und Freundlichkeit ein sehr anspruchsvoller und kritischer Geist – nicht nur gegenüber der Banalität des Bösen, wie sie Hannah Arendt beschreibt, sondern auch gegenüber der „Banalität des Guten“ und vermeintlich Guten. Die Latte für uns liegt also hoch. Aber, Eva, wir werden es versuchen.



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