3.1.12

wieder ein paar gedichte


Das positive Trojanische Pferd
Idee für ein Kindertheaterstück über die „Altenpflege“ in Gedichtform

Das ist ein sonderbares Gefährt
Das halb fliegt und halb fährt. Leicht wie ein Luftballon
Ein Kind kann es ziehen und groß ist es, so groß wie ganz Wien
Und selbst wenn der Wind geht fliegt es nicht davon
Es passt in jede Wohnung hinein, was heißt Wohnung, in jeden Kopf
 Steht ganz lieb vor der Tür , macht diskret Klopf, Klopf, Klopf
Wiehert leise, grinst breit mit seinem Pferdegebiss
Schon ist ihm ein „Tritt ein“ und ein Lächeln gewiss.
Dann stehts mitten im Zimmer, wie ein Hund an der Leine
Des Pflegehelfers und der pflegt jetzt nie mehr alleine,
Denn immer ist nun auch das Pferd mit dabei
Daher sind sie von nun an immer drei
Der Pfleger das positive Trojanische Pferd und der Patient
Im Gaul stecken viele, die der Patient noch nicht kennt
Wenn der er Pfleger geht, bleibt das Pferd beim Patienten zu Haus
Und Nachts, wenn dem Patienten fad ist kommen alle heraus:
Ein Cowboy, ein Rapper, der fährt mit Geschepper mit dem
Skateboard übers Krankenbett-Gitter, dann kommt noch ein Clown raus,
Ein Ritter, ein Zwitter, die bauen sich am Nachtkastel ein lustiges Baumhaus
Gegen Sommergewitter. Aber wer glaubt dass das alles war,
Der irrt sich gewaltig, im Pferdebauch rumort es vielgestaltig
Ein Liebespaar promeniert innig umschlungen, ein Bänkelsänger
Hat sich heiser gesungen, ein zufriedener Banker erntet Gestänker,
 Ein Trompeter, ein Geiger, ein zaubernder Schweiger gar
Eine Elfe mit Sternschnuppenhaar, eine Triangel, die mit feinen Glöckchen spielt
Ein Liebesengel der auf „Herzengel“ zielt, ein Geschichtenerzähler, der zuhören muss,
Ein Tröster, ein Kerzelschlucker, ein entlaufener Kuss, ein Dichter, ein Zwetschkenröster, ein Niemalsducker, ein Detektiv, ein Kalif ein, Echo das niemand rief,
Das alles macht unser Pferd so positiv und liebenswert
Und ganz zum Schluss noch, aus dem Hier und Heut
Entsteigt dem Pferdebauch ein Gestalttherapeut mit runden Brillen und langem Bart:
Gestatten, mein Name ist Eigenart, ich bin ein Freund vom Krankenpfleger,
Vom Flausenleger und vom Schorfsteinfeger, kein Hosen, sondern ein Seelenträger
Wenn sie runterrutscht hol ich elastisch, sie gleich wieder hoch,
Das geht ganz fantastisch. Ich komme mit dieser bunten Schar
Zu Ihnen auf Besuch, wo ich noch niemals war, les ihnen vor ein Buch
Ist ihnen fade, servieren wir KasperliadeLimonadeMarmelade und eine poetische Bigrafie
schreiben ein Gedicht und machen die Schublade der Kindheit auf und kitzeln sie im Bade.
Nicht lachen, Lachen ist verboten, im Reich der Kranken, Siechen und Toten, lacht man nie
Nein, eh nicht, war nur ein kleiner Scherz, ein bisschen Aufregung ist ganz gut für`s Herz.
Nein der Hafer hat uns nicht gestochen, sind freiwillig aus dem Pferd gekrochen um ihre Gesundung zu unterstützen – auch wenn uns bisher noch keiner kennt, ich hoffe sehr es wird ihnen nützen.  Wir tun das gerne und kompetent- wir sind pflegeleicht, leben bewusst Diätetisch und sind auch sonst ganz bioethisch, um nicht zu sagen biopsychosozial
trinken Wasser leben brav und normal,  fressen nur ein wenig Soja und Bohnen
–, wir sind das positive Pferd aus Troja und werden nun bei Ihnen wohnen.
Freuen Sie sich schon? Heh, warum laufen Sie davon!



Daheim bin ich dort

Daheim bin ich dort wo ich liebe
Wo ich, wenn man mich vertreibt
Gerne bliebe
Wo mir vor Schmerz beinahe das Herz
Stehen bliebe
Wenn man mich von dem Ort
dort vertriebe
Daheim bin ich dort wo die Triebe…

Bei mir bin
Ich nur bei Dir
Und ich leide
wie ein Tier
ist geschlossen
deine Tür.


18. November 2011

Dichter und Kalafati

Der Dichter liebt aus sich heraus
Er lebt in seinem Schneckenhaus
Aus seinem Dichterschneckenhaus
Liebt er die ganze Welt
Er liebt nicht Dich, er liebt nicht Dich
Er liebt Punkt, Komma, Bindestrich
Anführungs- und Rufzeichen
Strich – Doppelpunkt, etcetera
Und manchmal auch die Klammern
Er liebt geheime Kammern
Er ist ein Wortentketterer
Haucht Leben ein in Leichen
Anstatt sie zu bejammern
Er liebt was ihm gefällt
Und ihn am Leben hält

Der Dichter liebt aus sich heraus
Ihm ist selbst eine graue Maus
Prinzessin, Elfe, Zauberfee
Der Dichter liebt sein eigenes Weh
Macht sich ein Paradies daraus
Von Bildern und Ideen
Von Tränen und Chimären
Er will durchdringen und verstehen
Alles vom Kopf bis zu den Zehen
Sein Leben ist Begehren
Und sich danach sein Leben lang
Von Anfang bis zum Untergang
Vor Liebe sich verzehren

Der Dichter ist ein armes Schwein
Doch das macht ihm rein gar nichts aus
Er liebt sein Leben lang alleine
Im Grunde nur aus sich heraus
Doch lässt er vorher alles ein
In den Palast – sein Dichterhaus

Der Dichter ist ein Alchimist
Und ein Fantast
Macht Gesternpech zu Zukunftsgold
Und Gleichmut zu Verlangen
Aus Alltag macht er Tag im All
Zu Lust macht er die Last
Zum kühnen Flug macht er den Fall
Macht, Schicksal, selbst jüngstes Gericht
Fürchtet die Dichterliebe nicht
Stellt ihr ihn auch am Pranger aus
Der Dichter liebt aus sich heraus
Noch unter Folterzangen
Schreibt er noch ein Gedicht
An Greti und an Pleti
Den Jeti und an Kathi
Und selbst am grauenvollsten Ort
Nimmt man ihm seine Seele fort
Wäre sein allerletztes Wort:
Der Dichter ist ein Kalafati –
Amor fati.


23. November 2011

Gedichtbild

Der erste Raureif liegt auf den Hügeln
Der Wald steht im Nebel mit weißen Flügeln
Wie eine Wolke, auf der Erde gestrandet
Gegen die das graue Himmelsmeer brandet
Der erste Raureif im jungen Winter
Du spürst schon Eis, Nacht und Kälte dahinter
Niemand kann sagen was Morgen ist
Das Hier und Jetzt ist unsere Gnadenfrist.

Kreisler hat uns verlassen…

Kreisler war kein Greissler
Und kein Krämer
Er war ein Geissler der Verhältnisse,
Ein Unbequemer
Kritiker herrschender Unkultur
Er spurte stets neben der Spur

Er war kein Wetterhahn
Er war ein Hahn aus Fleisch und Blut
Sein Kikeriki
War manchmal eitel,
Aber billig nie
Und nicht anbiedernd
War sein Übermut
Scharf wie ein Taschenfeitel

Echt war die Wut und er
Im Unterschied zu anderen,
war kein Staatskünstler
Er war kein „Onliner“
Er war ein „Ohne Leiner“
Ein ganz famoser Maulkorbloser
und kein Schleimer-Reimer
Für die Galerie der Macht, die
auch mal gerne lacht
Wenn über sie wer harmlos
Witzchen macht.
Seine fürchteten sie.

Er war kein Facebooker
Er hatte ein Gesicht
Und auch ein „Gschichteldrucker“
Für Seitenblicke-Gucker
War er nicht

Was war er eigentlich?
Ein Grenzgänger gegen den Strich
Er ging nie auf ihm, er war nicht in
und er war auch nicht cool
er war ein Jude, „Bourgoisanarchist“
Ausländerin und schwul
War penetrant und arrogant und genial
Und wenn er sang brannte er lichterloh
Wie ein Fanal gegen die Mordsdummheit
In unserem Jammertal, wenn er trompetete
Stürzten die Mauern ein um Jericho
Auf Erden wurde es ihm zu dumm,
hat selbst sich abgeschoben
Fühlt oben, ohne Publikum,
sich besser aufgehoben
Verständlich, denn wo er jetzt ist
Ist er nicht mehr alleine
Arbeitet dort als Librettist
Für Tucholsky, Brecht und Heine

Zum Abschied sagte er uns schlicht:
Welt, Leut, es ist vollbracht
Dann schrieb er schnell noch ein Gedicht
Wie blöd die Sonne lacht
Jetzt tanzt er mit den alten Tanten
Mit seinen Freunden und Bekannten
Den ewigen Tango in der Nacht
Lächelt blasiert herunter:

„Macht euch jetzt selber munter!“
Entwickelt selber Fantasie
Ihr Untertanenherdenvieh
Finanzkrise und Schuldenbremse
Und globalisierte Flach-Lachindustrie
Rutscht mir den Buckel runter!


27. November 2011

Vickal Hiasch

Trauriga,
schmoipickta Bua
mit de großn Augn
S`Gegenteil von mia
Jetzt hean da plötzlich olle zua
Jetzt wosd ogstuabn bist
Stehst in da Bliah
Und se kennan dia des Moach
Aus de Bana saugn

Hiasch,
jetzt hängans dei Gweih
in de Wiatsheisa
nebn de Damenheisltia
und spüln di auffe und oba
im ORF, Ö-ans und Ö-drei

Trauriga Bua
Jetzt host ausgspült
In da Saundkistn
Der kollektiven Verdrängung
Jetzt wird da ollas vaziehn
Und vagebn
Jetzt wirst zum Pavarotti
Der Kretins der Beengung
Und kriagst a Eahngrob
am Zenträu
und olle lossn di hoch leben!

Oisa Doda mochns in Heinz Conrads
Ausm Georg Danza
Und aus dir in Mario Lanza
Fir de Meschuggenen
Und Ollas is eich auf amoi vaziehn!

De Omama min Hitlerbüdl
Da Kindaschändapapa von da
Nochbarstiagn –
Oba in Wirklichkeit
Kennans di net kriagn
Wäu im Gegnsotz zu dia
Kennan de net fliagn

Trauriga, schmoipckta Bua
Hiasch mitn traurign Gweih
Fliagst durchn Woiknwoid
Stoiz, schee und frei
 und nix, nix is vuabei!


28. November 2011

Alt sein

Alt sein, keine Angst mehr haben
Etwas zu versäumen
Gut zu Hause sein in seinen Träumen
Offen halten Türen und Fenster

Und die Ernte seines Lebens teilen
Mit den anderen und dem Wind
An den Tisch einladen die Gespenster -
Enttäuschungen, Kränkungen, Ängste, Verluste…-
Mit ihnen ehrlich reden über das Verdrängte, Unbewusste
Wie ein altes, weises Kind

Alt sein heißt: Noch immer alles Leben,
Aushalten die Endlichkeit, das Jetzt genießen,
Dass uns die Sonne lacht, dass Blumen sprießen
Alt sein heißt wissend verzeihen und vergeben
Und fast ohne Bitterkeit mit unserer Welt
Zum Meer der Ewigkeit zu fließen
Abschiedlich leben
Alt sein, heißt immer mehr abgetrieben
Vom Quell zur Mündung hin dem Strom sich überlassen
Alt sein, heißt nach den Sternen wie in Erde fassen
Noch immer leben, noch immer lieben
Ziel – unerreicht, im großen Ungefähr
Alt sein ist leicht, ist man noch jung geblieben…
Aber alt werden…

Alt werden ist schwer!

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