28.2.16

Nur fair teilen kann Europa heilen

Wider Kurz-Blitz-Diplomatie & Kettenreaktions-Dominaeffekte der Anstandslosigkeit

 

In Zeiten der Umbrüche und Krisen, wirtschaftlicher, politischer und psychischer Instabilitäten, gälte es für VerantwortungsträgerInnen vor allem Vorbild zu sein, Ruhe, kühlen Kopf, Mitgefühl, Werte- und Standfestigkeit, Sachkenntnisse und den vielzitierten gesunden Menschenverstand, d.h. Mitmenschlichkeit zu bewahren und dort, wo Überforderung oder fatale Fehler zu befürchten sind, in offener Kommunikation und geistiger Beweglichkeit, nötige Informationen und evtl. komplementäre Meinungen rasch einzuholen, um möglichst auf der Höhe der Situation und ihrer anstehenden Probleme, Entscheidungen treffen und Lösungen erarbeiten zu können, die diese auch bewältigen und nicht noch mehr verschärfen. Freilich sind das alles fließende Prozesse, die Geschichtsbewusstsein, Fingerspitzengefühl, Authentizität und Ehrlichkeit erfordern, die den betroffenen Menschen verständlich kommuniziert werden wollen und in die sich diese auch eingebunden fühlen müssen; sie sollten nachvollziehbar sein, um auch, nach entsprechender kritischer Diskussion, von einer möglichst breiten Mehrheit, nicht nur als untertäniges Lippenbekenntnis nachgebetet, sondern auch verstanden und gelebt werden zu können. Das müssen wir leider in der aktuell bedrohlichen internationalen, vor allem der europäischen Problemgemengenlage, von den meisten europäischen und nationalstaatlichen Verantwortlichen schmerzlich vermissen.

Ängstliche Nationalregierungen und lahme EU triggern Xenophobie

 

Worum geht es? In einer Welt der globalisierten, leicht zugänglichen Informationen, werden sich immer mehr Menschen weltweit der herrschenden Ungleichheit und der ungerechten materiellen Güterverteilung bewusst. Alle bisher durch den imperialistischen Kolonialismus aufgestauten Emotions- und Aggressionspotenziale lassen sich, in enthemmenden Krisen- und Katastrophenlagen, ausgelöst durch die mörderischen Kriege um Bodenschätze, Rohstoffe und Wirtschaftsmacht, nur mehr mühsam unterdrücken und verdrängen. Die Folgen von humanitären Katastrophen kommen zu uns in Form von virtuellen Bildern und in der Wirklichkeit der massiven Flüchtlingsbewegungen. Reaktionen: Einerseits eine fabelhafte Solidarität der Bevölkerung und der Zivilgesellschaften, deren Dynamik von meist säumigen Regierungen nicht genügend genützt und unterstützt wurde und andererseits, unter dem Druck ultrarechter Populisten und immer mehr nach rechts abdriftender Nationalregierungen eine Wolke von Schuldgefühlen und Ängsten des bisher „unbelästigten“ Wohlstandswestens und seiner bequem gewordenen NutznießerInnen, die eigene potenzielle Gleichgültigkeit, Unmenschlichkeit, Niedertracht, Gewaltbereitschaft, auf diese entwurzelten, hilfsbedürftigen Flüchtlinge übertragen und zu einer, den Machteliten willkommenen Eskalation des Sicherheitsdenkens, zu Abwehrreaktionen und einer feindseligen Haltung, zuungunsten der Menschenrechte, der güligen internationalen Rechtsgrundlagen, der Prinzipien der Nächstenliebe- und Hilfe und der „Notstands-Solidarität“ führen, Eigenschaften, die eigentlich im menschlichen Empathiepotenzial und in der dem Menschen innewohnenden Kooperations- und Solidaritätsbereitschaft angelegt sind, aber jetzt, durch noch zusätzlich geschürte Stimmungen Richtung Einschüchterung, Droh- und tatsächlicher Gewalthaltung und Bereitschaft überlagert werden, zu einer sich ausbreitender Desorientierung und einem Gefühl der Halt- Macht- und Hilflosigkeit, die dann durch machtsichernde, autoritäre, Führervorbilddiktaturmaßnahmen, kurzfristig, vorgeblich, kanalisiert und zum Profit des strauchelnden, kriselnden Systems, gegen äußere, wie innere Feindbilder gelenkt werden können. Beim Fall des „eisernen Vorhangs“ war das zum Glück nicht so. Da waren ja der Systemzusammenbruch und in der Folge auch seine Flüchtlinge, erwünscht und willkommen.

Jetzt, im Fall des kriselnden Kapitalismus, der sich eben nicht als unfehlbares und alleiniges Gesellschafts- und Wirtschaftsprojekt bewährt und nicht das seinerzeit prognostizierte Ende der Geschichte bedeutet, ist eine sich weitgehend friedlich abwickelnde Krisenbewältigung, leider gar nicht mehr so selbstverständlich wie zu Zeiten Gorbatschows, Kohls und Mitterands. Statt Mauerfall heißt es nun Mauerbau, oder „Türl mit Seitenzäunen“, um die überaltete Festung Europa gegen die einströmenden, wilden, vor Kriegen; Leid, Hunger und Armut flüchtenden „Barbarenhorden“ abzuschotten (die wir als Zuwanderungskontinent in Wahrheit dringend brauchen). Eine Bunkerstimmung der Götter- und Götzendämmerung wagnerianischen Ausmaßes macht sich breit und es wird medial, politisch-propagandistisch aus allen Rohren schießend, zum letzten Aufgebot geblasen: “ Flakhelfer Kurz geh du voran, du hast die geilsten Stiefel an, flankiert von der heiligen Johanna der Machthöfe und Doskozil, dem Krokodil…“

Österreich war schon an zwei Weltbränden hervorragend beteiligt

 

Und wieder einmal macht sich Österreich in altbewährter, wankelmütiger Herr Karl-Manier (kurzfristig nannte der sich sogar situationselastisch „Je suis Charlie“) zur Vorreiterrin der „Hurrah - auf in den Abgrund-Stimmung“ einer Koalition der unwilligen Wadlbeisser-nationalstaaten, die Teile des Europäischen Projektes die noch nicht gänzlich durch Austeritätspolitik, neoliberaler Konzernlobbys zur Makulatur gemacht worden sind in die Bredouille bringend, Europa als potenziell friedenssichernden, solidarischen und sozialen Stabilitätsfaktor in einer Welt des raubtierkapitalistischen Endverteilungskampfes der fossilen Energiereserven und des die Grenzen des ökologisch Machbaren längst durchstoßenden, unbegrenzt wachsenden Profitmaximierungswahns, in den Kamin der wiederbelebten Banalität des Bösen schreiben wollen, indem sie zur vermeintlichen Sicherheit gleich die demokratischen Grundwerte ihren, vor allem innenpolitischen Machterhaltsspielchen opfern. 

Dafür sollen die restliche Welt, das mögliche andere, friedliche, bunte, zivilgesellschaftliche Europa, außerhalb des Burgenlandes, der Lichtenfelsstraße, Simmerings und St. Pöltens, als Vorbild und Inspirationsquelle für die bislang Weggesperrten und Ausgegrenzten ausgelöscht und diese mit allen Mitteln und Grauslichkeiten von Zentral- und Nordeuropa abgeschreckt werden. „Krepierts gefälligst vor unserem Haustor, im Mittelmeer, oder in den Massenlagern rund um die von uns mit Waffen belieferten Kriegsherde, im großkonzentrationären Anhaltelager Griechenland, dessen Syriza Regierung wir schon noch durch ein paar weitere Brüskierungen, unverfrorenes Eurokreditklingeln- und Säbelrasseln, zum gefälligen Oberkapo transmutieren, demütigen und in die Knie zwingen werden: „Herr Ober – bringen sie mir Grenzen!“ Wir machen uns das weiße Stehkragerl dafür nicht schmutig. Unsere Sturmbattaillone der Populismuskavallerie von Strache, Orban über Marie Le Pen, den Vlaamske Blog, Goldene Morgenröte etc, scharren schon ungeduldigst mit den Hufen, unsere durch unsere Haltungslosigkeit aufgestrachelten Patridioten und Pegidioten scharen das Fußvolk um sich, blaue, schwarze und rote Wimpeln, flattern uns, von Niessl und Pühringer bestickt, lustig ums Häupl, das früher oder später, eher HEUTE als Morgen auch noch die KRONE und ÖSTERREICH schmücken wird und selbst Wien wird als Menschenrechtstrutzburg noch alle seine Zinnen zur siegreichen Abwehr der „Flüchtlingsbelagerung“ wehrhaft bestücken“.

Europäische Desintegration, Milliarden für Unsicherheitspolitik

 

Ich mache kein Hehl daraus und aus meinem Herzen keine stacheldrahtbewehrte Mördergrube: Die aktuelle Europa-Desintegration ist kein Zeichen der Stärke, sondern ein Zeichen erbärmlicher Schwäche. Das ist Realitätsverweigerung pur, von Politikern, die glauben, weil sie formaldemokratisch repräsentativ kurzfristig die Macht haben, hätten sie diese wirklich und könnten sich ungestraft und dauerhaft über die grundlegenden Interessen der Bevölkerung, des eigentlichen Souveräns hinwegsetzen, die da sind: Sinnvolle Arbeit, halbwegs gesichertes Leben in einer halbwegs geordneten, nachhaltigen menschlichen Umwelt. Ein friedliches Auskommen, möglichst ohne große Existenzängste. Dies alles bietet unser gegenwärtiges System, obwohl es, bei ehrlicher Reformbereitschaft dazu durchaus in der Lage wäre, immer mehr Menschen, den sogenannten Minderleistern, aber auch zunehmend jungen, gutausgebildeten AkademikerInnen, die sich prekär durchs Leben schlagen müssen, nicht (mehr). Dabei ist genug da, wir in Europa sind so reich wie noch nie, aber dieser Reichtum ist, wie mehr und mehr Menschen wissen, extrem ungleich verteilt. Die Misere in die unser kapitalistisches Wirtschaftsmodell die Welt gestürzt hat, klopft unüberhörbar auch an unsere Türen. Sie ist durch die höchsten und spitzesten Zäune nicht aufzuhalten, nur durch realistische Konzepte der Umverteilung. Die sind vorhanden und mehr und mehr Menschen wissen das. 

Die aktuellen Eliten wollen mit allen Mitteln ihre Privilegien schützen. Dazu verblöden sie die Leute, speisen sie mit Gewaltserien und Soap-Operas ab, halten sie möglichst dumm, unwissend und willfährig autoritätsgläubig. Sie sind falsche Autoritäten, haben längst ihre Autorität verloren, sind scheinheilig und lügen, dass sich die Balken biegen, Sie haben die Grundwerte der Demokratie längst verraten, fordern sie aber großkotzig von aller Welt ein. Von den Flüchtlingen, dem Wahlvolk und nicht zuletzt unseren Schulkindern. Wer bitte sollte diesen widerlichen Lemuren, die nur ans eigene Hemd und die eigene Haut und ihren eigenen mickrigen Vorteil denken, auch nur mehr irgendetwas glauben. Das Ganze ist ein einziges, erbärmliches öbszönes Spektakel. Unsere Demokratie ist von Grund auf reformbedürtig, aber keiner will das wirklich ernsthaft zugeben und konstruktiv diskutieren. Im Gegenteil, da wird beschwichtigt, bemäntelt und behübscht. Sie stecken Milliarden in Unsicherheitspolitik, Instrumente der Bespitzelung und der Unterdrückung, teure, nichtssagende Wahlkämpfe, erhöhen Armut, schüren Unzufriedenheit, schließen Minderheiten und KritikerInnen aus und produzieren so doch nur immer mehr Unsicherheit und Desorientierung. Sie züchten Generationen perspektivloser, potenzieller Terroristen heran. Sie säen heiße Luft und wundern sich wenn ihnen dann scharfer Wind in die Gesichtslosigkeit bläst. Sie desintegrieren und spalten die Gesellschaft statt ihren Zusammenhalt durch wirksame Integrationsmaßnahmen zu stärken.

Gestalten statt spalten

 

Die Krise birgt aber auch Chancen auf Katharsis, auf eine neue Vision von lebenswertem Leben: Arbeitsplätze für InländerInnen und AusländerInnen schaffen. Fantasie fördern und teilen statt unterdrücken, verblöden und ausgrenzen. Neuer, leistbarer Wohnraum für Einheimische und Zuwanderer, ökologischer Umbau der Städte. Förderung neuer Formen von Energiegewinnung und ökologisch verträglicher Mobilität. Brachliegendes, wirtschaftliches Potenzial offensiv und innovativ nutzen. Das alles und noch viel mehr ist machbar. Aber dazu muss die Untertanenmentalität abgelegt werden. Wozu sitzen Grüne in den Regierungen? Was macht das verbliebene sozialdemokratische Fähnlein der nicht rechten Aufrechten. Es ist Zeit zu handeln, nein zu sagen zu dieser Entsolidarisierungwelle, dieser Verblödungsflut, ja zu sagen zu den vielfältigen und wunderbaren Möglichkeiten miteinander ein neues, anderes , gerechtes, faires, begeisterndes Leben zu gestalten. Die Zeit der Nationalstaaten ist vorüber, nicht die der Regionen, Gemeinden und Gemeinschaften, auch nicht die eines wirklich demokratisch verfassten, in gefühlten Grundwerten geeinten Europas und einer demokratischen Weltgemeinschaft. Initiativen wie die unlängst von von Varoufakis initiierte DiEM geben Hoffnung. Die veröffentlichte Meinung ist eben nicht die öffentliche Meinung und die derzeitige Politik entspricht nicht den Vorstellungen der reichen, vielfältigen europäischen zivilgesellschaftlichen Kräfte. Das sind auch die anständigen, den Menschenrechten und der Solidarität verpflichteten Menschen in allen Lagern und Parteien.

Der Mensch ist Individuum und soziales Wesen, vielsprachig, multikulturell und will frei und in freien Assoziationen leben und diese Sehnsucht ist, solange sie nicht einigermaßen befriedigt ist, durch nichts aufzuhalten. Wir haben nur eine Erde und unsere Welt ändert sich in ihrer Vernetztheit und Verbundenheit ununterbrochen. Zum Besseren oder zum Schlechteren. Eine lebenswerte Ausgewogenheit für alle Menschen dieser Erde zu schaffen und zu sichern liegt in unseren Händen. Unser Gehirn ist, wie der Neurobiologe Gerhard Hüther es so trefflich beschreibt, ein Sozialorgan und es ist fähig, weitläufig vernetzt, empathisch und frei zu besseren, gemeinschaftlichen Lösungen der anstehenden Probleme zu kommen. Benützen wir unsere Fähigkeit zu denken und mitzufühlen mit dem Anderen, friedlich, in guter Nachbarschaft, eigenverantwortlich, kooperativ, kritisch und mutig. Geben wir den Regierenden und Besitzenden, allen, eine Chance umzudenken, dass auch sie erkennen mögen, dass es besser und für alle, auch für sie, sicherer und befriedigender ist die Diskussion und die Kooperation zu suchen, weniger ängstlich und stressig zu leben. Dass es in ihrem ureigensten Interesse ist für Offenheit, Entspannung und Frieden zu optieren statt für kurzsichtige Provokation, Konkurrenzkampf, Neid, Ausgrenzung und letztlich Krieg, der in der heutigen Zeit nur all zu leicht mit dem Untergang der gesamten Menschheit enden könnte: Nur Kooperation, echte Demokratie und friedliches Teilen kann Europa heilen!

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