25.3.17

unbeschwert

Zwei Haiku 


Kurz blüht die Blüte
der Macht, länger der Frühling
der sich allen gibt

Eine Blume nur
birgt mehr Leben als alle
Banken dieser Welt


Zum Frühlingsbeginn


Der Fruehling stinkt,
Der Tod taut auf
Das Leben blinkt
Scheint Sonne drauf

Ewigkeit riecht
Am Blumenstern
Der Winter kriecht
Und stirbt nicht gern

Allerleischlamm
Wird aufgewühlt
Bricht erst der Damm
Wird`s weggespuelt

Frühling ist
Undiszipliniert
Der alte Mist
Wird abserviert

Das mag gefallen
Oder nicht
Er schreibt uns allen
Sein Gedicht

Lässt Leben wachsen
Ehe er es bricht


25. März 2017

Unbeschwert

Wochenendlicher Lastenabstreifversuchsbericht
zur Erlangung größtmöglicher Unbeschwertheit

Ich streife die Woche ab. Sie klebt mir an der Haut, mit ihren monotonen Einzigartigkeiten. Soviele Blicke, Stufen, Küchen, Hinterhöfe, Gebrechlichkeit und Sterbende sind in mir eingebaut, die lassen sich auch mit den duftendsten Seifen nicht einfach abwaschen und aus den Gliedern streifen

Bis in die Knochen reicht die Müdigkeit der alten Welt, die Städtewirklichkeit, in der die Menschen, eingezwängt in einem Alltagsbeben unter Trümmern warten; auf einen warmen Blick und auf ein offenes Ohr, auf einen freundlichen Gruß und auf ein Herzbergwerk der Unerschöpflichkeit, auf einen Lebensgarten, der ihnen lange schon verwehrt und eine Sonne aus zweiter Hand, auf eine Hoffnung die erblüht, zu allen Jahreszeiten

Ich streife mir die Woche aus den Knochen. Sie war so hart und zart wie immer. Aus allen Spiegeln rieseln Alterungen. Ich dämmere dahin und dampfe aus das Stöhnen und Verzweiflung, Ängste, Zittern, Orientierungslosigkeiten, die anprallen an mich wie an die Hafenmauer eines Küstenstädtchens und an verwaschene Fenster aller Farben, blau, rot und schwarz und grün und gelb, die blass verwittert in die Nebel blicken, wie Augen in die Regentropfen klatschen und die doch auch durch soviele Sonnensommer rissig geworden sind und ausgebleicht

Ich streife mir die Woche aus dem Fleisch und aus dem Herzen. Unter der Haut ein Lavastrom von Müdigkeiten, von Winternächten, kalten Sternenhimmel, von eisigem Schweigen und von Vögelschreien. Ich sinke in den alten Ledersessel wie in ein angenehmes Grab, ganz schlafvergessen und aus dem Fernsehapparat besuchen mich die Reize der absterbenden, falschen, bösen Welt der Wirtschaft und der Politik, der Opfer und der Kriege, der Lügenfratzen und der Werbefritzen, ein abgeholzter Wald von Widerwärtigkeiten, Explosionen, Ungeheuern, von Marmeladeparadiesen…

Das, was nach diesem langen, langen Tag, am Ende dieser Woche, aus mir noch bleibt, erhebt sich schließlich steif und träge, ganz wie ein abgesessener Teig, mit Mühe, erleichtert und entleert und geht schlussendlich schlafen, unbeschwert.



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