6.7.14

Eingenistet im Mist meiner Zeit



Mit den Sternen auf du und du…

Es war so schön jung zu sein, so unwiederbringlich schön in den Lavendelfeldern der Provence zu liegen, zu zweit, oder auch alleine und mit den Wolken in den Süden zu fliegen, leicht wie Azur. Alles war möglich, alles war offen, nichts war unerträglich. Wir wurden nicht müde auf das Unmögliche zu hoffen und es kam auch immer wieder, wie der Briefträger, tagtäglich zwischen den italienischen Alpen, der Durance und dem Mont Ventoux,  lagen wir auf dem Rücken, mit den Sternen auf du und du und ließen uns vom Gesang der Nachtigallen beglücken und pissten im Morgengrauen gegen den Mistral, einen neuen, goldenen Strahl der unaufhaltsam Jungen, der ungeheuren Zahl von unbeschreiblichen Neuerungen und nichts schmeckte schal, das Glas immer voll und noch nicht zersprungen.
Wir badeten in Morgenröte und fühlten laue Dämmerungen und es waren Pans Flöten, die unsere Liebe begleiteten, die unsere Herzen weiteten, weitab von Verzweiflung und Nöten. Das Leben lag vor uns wie die Hügel der Provence, das Leben war fête et danse, Feste und Tänze, noch weit entfernt waren Hochzeits- und Trauerkränze und heute spüre ich, wenn ich Moustaki höre, wir sind von der Freiheit, auf die ich schwöre, nicht wirklich weiter entfernt als damals in unseren jungen Jahren, als wir noch voller Träume waren und voller Sonne in den Haaren. Wie eine alte Schachtel, auf einem Dachboden gefunden, Staub aufwirbelnd, öffnend die alten Wunden, wie ein Geist aus der Flasche, steigt wild und froh, die alte Zeit und sagt: he, ihr, haltet euch bereit, die Freiheit ist noch weit, aber immer jung, mit den Sternen auf du und du…

 
Blitzartiges Credo

Das letzte Tröstliche von dem wir in der letzten Stunde sicher umgeben sein werden, sind unsere Erinnerungen, soferne diese tröstlich sind.
  

 Am 23. Geburtstag meiner Tochter Elena

Alle diese Leben sind mein Leben
Alle diese Momente sind Teile eines Teiles, eines Teiles
Aus Teilen eines Ganzen
Alle diese Gefühle schlummern in mir
Wie eine schweigende, tausendjährige Quelle
Die zu sprudeln beginnt, unverzüglich
Wenn ein Ton, ein Geruch, ein Licht
Etwas Vertrautes, sie berührt.


Schwarze Wellen

Woher kommen die Störungen, die an einem sonnigen Spätfrühlingstag schwarze Wellen der Versagensangst bergen? Aus welchen längst vergangenen Schultagen, Zeugnisverteilungen mit Nichtgenügendurteilen? Aus welchen längst verschlossen geglaubten Särgen steigen die Mumien drohend empor und versuchen uns am Nacken zu packen und singen dir traurige Weisen vor?
Erkenne diese Störungen, lasse sie sein. Sie bringen dich nicht um, ja, stimme mit ein. Du wirst sehen – sie vergehen wie sie gekommen sind mit einem blau lächelnden Himmel, einem kleinen Sommerwind. Lasse sie sein, dann packen sie, früher oder später, von selber ein und lassen dich sein.

Aggressiv sind die Schwachen, die nicht die Stärke haben ihre Schwächen zu zeigen.


Genug von Stürmen
Untaugliches Trostgedicht für Despina, nach dem Tod ihres Vaters

"Genug von Sturm, ein lauer Wind will kommen jetzt."

Ich habe genug vom Sturm
Ein lauer Wind wäre willkommen jetzt
Und ein seidiges Meer
Der oft vom Kopf gerissene Hut
Wird wieder aufgesetzt
Ein schattiger Olivenhain
Freute mich sehr
Es wäre mir gleich
Wäre ich zu zweit oder allein
Ich bin zu dritt, mein Schatten
Ich und der der denkt
Und meine Schritte plant und lenkt
Wir drei sind auf dem Weg zu Dir
Zum Wir
Zu einem Wir ohne Bedrückung
Abhängigkeit, zu einem lichten
Nie erreichbaren Status der Freiheit
Und der Würde, frisch und fröhlich, ohne Bürde
Die es erlaubt an hellen und an dunklen Tagen
Ktankheit, Gebrechen, Tod zu tragen
In tiefen Träumen zu versinken
Und doch nicht darin zu ertrinken
Denn irgendwann sind wir durch unsere Wunden
Sind wir auch ganz alleine, miteinander verbunden
Und wissen – wenn ich heute weine
Kommen doch wieder, morgen, frohe Stunden
Voll Freude und Sinn, wo ich bin was ich bin.
  

In der Welt zu Hause, zu Hause in mir

Ich habe mich eingenistet im Mist meiner Zeit
Mir mein Nest gebaut in der Unsicherheit
Im Chaos des sogenannten Ordnungswahns
Die Verortung ist sozusagen Teil meines Plans
Und mein Plan ist ein Spiel, mein Lebensspiel
Gebaut aus dem was mir aus Zufall zufiel
Und immer wieder auch aus freiem Willen
Um meinen Hunger nach Liebe zu stillen

Ich verlasse jetzt die Reime, diese Krallen der Zähmung
Die das freie Fließen des Seins behindern
Die Wehre der Sprache, Container der Gefühle
Waagschalen der sogenannten Ausgewogenheit
An den Reglern der Macht sitzen keine Götter
Der hündische Nachbar, die diebische Elster
Die Fratze des Mörders, der vom Blut der anderen lebt
Und ganz kultiviert scheint, sicher ein integrierter Bürger
In Wahrheit ein Schlächter. Ja, ich reime es und werde
Rückfällig: ein Würger und Menschenverächter

Ich sitze ganz gut, eigentlich, im Nistwerk der Lügen
Des Scheins und spinne mich ein ins Netzwerk der Ohnmacht
Zur Zeit gut verortet, träumend von Meeren, von Momenten
Die mir zur Heimat werden könnten, zu einer temporären
Traumheimat, ähnlich vergänglich wie das Zuhause
In meinem Körper

Die Seele hat kein Maß, keine Zeit, keinen Raum
Nimmt alles auf, reduziert sich zum Nichts mit
Unendlichem Reichtum und wüster Stille
Die selbst noch die entfernteste Zukunft birgt
Und dann weiß: diesen Trost und nur diesen
Erkenne ich an. Eingenistet im Mist meiner Zeit
Immer und überall zum Aufbruch bereit

Ozeantropfen

Tropfen
Wenn du im Sturm
Des tumultuösen Ozeans lebst
Bist du dir deines Tropfenseins
Nicht so bewusst, als hingest du
Alleine, als Morgentautropfen
Unterm Blatt einer Rose

Mensch, wie sollst du dich
Als Mensch fühlen
Mitten in den Hexenkesseln
Der Megalopolen

Wunderbarer
Ozeanwassertropfen
Mensch


Krawallier-Hymne

Hie und da und laut und leise
Greif ich in die braune Scheiße
Und (öster) reich sie um mich rum
Manchmal klingt sie, immer stinkt sie
Doch fast immer Froide bringt sie
Dem verschissnen Publikum

Niederträchtig rumzukoten
Bringt dem Österschmierblatt Quoten
Brünstig quiekt das Strachelschwein
In der U-Bahn wixt die Meute
Krachledern ins Porno-Heute
froit sich nazi-anal zu sein

Kuschn soll der Auslandsgscherde
Weiber, marsch, hinter die Herde
Hoamatland, es bleibt dabei
Hirsche röhren, Rehlein schmachten
Haken kreuzen Dirndltrachten
Tschuschen und Emanzenfrei

Gurka-Burka Schwätzehetze
Wirbelt auf die Bodensätze
Doch zum Glück gibt’s nicht nur die
Mehrheit, komm aus der Reserve
Menschenrecht braucht Mut und Verve
Und lebendige Demokratie

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