Nicht mit mir!
Ich denke in Kriegs-
und Krisenzeiten und in komplexen, weitgehend undurchschaubaren Verhältnissen,
die auf jeden Fall unsere je individuellen Möglichkeiten der vollständigen Wahrnehmung
und der eindeutigen Erkenntnisbildung überfordern und vor allem die Grenzen
unserer Geststaltungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten weit überschreiten,
tue ich gut daran bei den einfachen, unmittelbar erfahrbaren, teilbaren und also
auch mitteilbaren Dingen meines Lebens zu bleiben.
Habe ich nicht, wie
jeder Mensch, das Recht unversehrt und frei von äußerem Zwang und vor allem von
jeder Form von Gewalt (auch verbaler Gewalt), mein Leben so zu leben, dass ich
seine grundlegendsten und vitalsten Bedürfnisse einigermaßen befriedigen kann? Gibt
es etwas was mich physisch oder psychisch daran hindert?
An jenem Ort, an dem
ich glücklicherweise und, trotz allem aus Gründen der „glücklichen Geburt“ und
meiner freien Entscheidung lebe, kann ich das, mit gewissen Einschränkungen,
und daher fehlt es mir an nichts lebenswichtigem. Ich könnte also zufrieden
sein und bin es im Grunde im Alltag auch
sehr oft.
Nun bin ich aber, so
wie sicherlich ihr alle auch, von meinen Anlagen her, ein soziales Wesen
Und teile mit Euch
diese, unsere, (bislang) einzige Welt und ich bin auch mit Sinnen zum Fühlen
und mit einem Gehirn zum Denken ausgestattet und kann also mit diesen mir zu
Verfügung stehenden Mitteln am Geschehen rund um mich unmittelbar und, so gut
es geht, auch in weiter entfernteren Regionen, da allerdings nur mittelbar,
Anteil haben und nehmen, mir dazu, auf Grund, der mir zur Verfügung stehenden
Informationen (vorläufige) Meinungen bilden und, dank meines flexiblen
Selbstes, das sich ständig im Umgang mit Kontakten und Informationen, die es
aus seiner Umwelt erfährt, weiterbildet und entwickelt, auch eine gewisse
Haltung entwickeln, die sich aus der Summe aller dieser genannten Einzelteile,
schließlich als eine gewisse menschliche und politische Grundeinstellung
abbildet und mitteilt. Diesen bewussten (und vielfach auch unbewussten)
Meinungs- und Haltungsbildungsprozessen, die unaufhörlich aus unüberschaubaren
Mengen von Quellen und Feldern gespeist werden, kann sich das Individuum nur
schwerlich entziehen. Vor allem, wenn es in den täglich zur Verfügung stehenden
24 Stunden mit (meist entfremdeter) Arbeit, sozialer und intimer Kontaktpflege,
Freizeit- und Unterhaltungsaktivität, beschäftigt ist und die Zeit zur
qualifizierten Nachrichten- und Informationsaneignung, ziemlich beschränkt ist
und sich dann oft, in gewissen Erschöpfungszuständen, auf das Lesen und
Kommentieren von Facebookeintragungen beschränken zu müssen glaubt.
Ich versichere Euch,
ich kann sehr realistisch meine Möglichkeiten etwas substanzielles am Lauf der
Dinge und der Welt, am Schicksal meiner Mitmenschen zu ändern und zu
verbessern, einschätzen und auch gelegentlich zu dem Schluss kommen, dass es
mir möglich ist mich zu engagieren und etwas zu verändern oder auch nicht. Ich
kann auch terrorisiert und wie gelähmt vor meinem PC verharren und nur
verängstigte, subjektive, mehr oder weniger intelligent formulierte freundlich
scheinende oder offen feindselige Kommentare zur innen- und außenpolitischen
Situation, liken oder möglichst
pointiert und „treffend“ meinen ohnmächtigen Senf dazu abgeben, um so das
allgemeine (ohnehin schon durch professionelle Propagandaschlachten verseuchte)
Klima noch mehr aufzuheizen und zu vergiften, anstatt mit den einfachen (und
komplizierten) Menschenaus meiner Nachbarschaft, meinen KollegInnen, oder
einfach denen, denen ich auf meinen Wegen (im Beruf, in der Freizeit, in den
öffentlichen Transportmitteln…) begegne, so sie dazu bereit sind, einen
offenen, freundlichen und streitbaren, produktiven Dialog zu führen (lebendig,
nicht einseitig und virtuell) und vielleicht sogar, bei weitgehender
Übereinstimmung der Meinungen, gemeinsame, wirkliche politische Handlungen zu
entwickeln.
Stellt Euch vor, das
habe ich mein Leben lang getan und manchmal damit sogar etwas (sehr wenig
meist) bewirkt.
Ich lasse mir nicht
gerne Meinungen von Außen aufzwingen, so gut gemeint sie, im besten Fall, auch
seien. Ich ziehe es vor sie, bestmöglich, selbst zu prüfen und mir erst danach
meine eigene Meinung zu bilden, zu der ich stehen und die ich jederzeit, nach
bestem Wissen und Gewissen, vertreten kann.
Ich habe den
Holocaust nicht gewollt, organisiert oder gefördert. Ich bin (zumindest
bewusst) kein Rassist oder Antisemit oder sekundärer oder tertiärer Antisemit
und ich gestehe auch niemandem das Recht zu, mich oder meine nichtjüdischen antifaschistischen
FreundInnen als solchen, ohne triftige Beweise, zu bezeichnen. Weder Wort- noch
anderen Fronten. Das wird aber, in der Hitze und Rufmörderschaft der Facebookgefechte
(die anderen, weit entfernten sind wirklich tödlich) nun tagtäglich in allen
Foren des Internets frisch-fröhlich-traurig-hilflos-heillosüberfordertundübertrieben
getan, dass nur so die Fetzen, Freundschaften, Achtung und Selbstachtung
fliegen.
Und wem nützt das,
wenn mögliche und möglicherweise bald bitter notwendige Verbündete, in diesen, sich zuspitzenden Krisen-
und Kriegszeiten der komplexen weltweiten Brüche und Umbrüche, zu erklärten „facebook-Todfeinden“
werden?
Ich finde das alles
zutiefst bedenkenswürdig und es scheint mir, dass es sich im Wesentlichen um ein,
aus Unsicherheit Überfordertheit und Verängstigung gespeistes ethisch-moralisch-politisches
„aus den Fugen und aus dem Leim gehen“ und solcherart folglich den Kriegs- und
Ktisentreibern- und gewinnlern „auf den Leim“ gehen handelt. Jenen, die sich
den globalen Kampf um die letzten fossilen Energiereserven liefern, ohne
Rücksicht auf „unsere“ Verluste, auf die Verluste an Menschlichkeit und Menschen,
die wie immer und in allen Kriegen und Krisen, die von den Eliten und
Machthabern, die sie um jeden Preis behalten wollen, angezettelt wurden und
werden, am meisten leiden. Jenen, die nie selbst in den Krieg ziehen, immer nur
das Kanonenfutter voran schicken, für
ihre Religionen, Ideologien und ihren Gewinn und sie mit allen Mitteln der
ihnen zur Verfügung stehenden Propaganda auf die jeweiligen Feindbilder
einschwören und sie in Tod und Verderben hineinhetzen.
In dieser
Riesenscheiße soll ich mich in Stellung bringen, einreihen in die „richtige und
einzig richtige Front“. Das sind nicht meine Kriege. Nicht mit mir. Nicht mit mir, ihr lieben FreundInnen
und Idioten!
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