22.7.13

Starke Gefühle


Berauschend duftet
Regennachmittagsblume
Nach Junihaut


Rast und Ruh 2

Himmel blau, Bäume grün
Und in der Wiese die Gänseblümchen blüh`n
Sand unter den Fingern, Sonne auf der Haut
Insektengesurre, Vögel pfeifen
Unterm Dach hat sich einer ein Nest gebaut
Langsam verwehende Wolkenstreifen
Alles verwittert, stirbt, lebt, unverbittert
In dieses Bild eingesponnen - Du
Das unbesonnen die Ewigkeit webt
Zu Rast und Ruh


Votivpark - Gezipark

Dieselbe Sonne überall auf der Erde
Derselbe Zorn überall auf der Erde
Auf dieser kleinen Erde
Diese Rosine, die uns alle ernähren kann
Wenn wir sie nur teilen

Im Teig unserer Liebe ist sie die Würze
Und all ihre Süße ist eingeschrumpelt in ihr
Üppige Weintrauben, Früchte in allen Farben und Düften
Wir brauchen sie nur mit unseren Tränen zu benetzen
Und die Rosine wächst zu einem Rosinenbaum
Unter der Milchstraße und nährt uns alle

Die Erde unter mir, in diesem Votivpark
In Wien, ist warm von der Sonne und bebt
Von unseren schlagenden Herzen
Nach dem Rhythmus der Solidaritätslieder
Sie ist dieselbe Erde, wie die im Gezi-Park
Am Taksimplatz in Istanbul
Sie birgt unsere Wurzeln und bringt uns
Nicht dazu unsere Flügel zu entfalten
Und zu träumen von einer wunderbaren
Befreiten Erde, voll Wasser und Brot und Rosinenkuchen
Und brennenden Küssen und lachenden, satten Kindern

Nazim Hikmet, Pablo Neruda, Mikis Theodorakis
Viktor Jara und soviele andere Revolutionäre
Und Dichter und Sänger der Revolution, sitzen und liegen
Neben uns im Gras dieser Welt und singen mit uns
Und mit allen Verschwundenen, die diese Erde
Mit ihren Träumen und Hoffnungen düngten.

Die Mörder der Freiheit können uns nicht verbittern
Ihre geschmacklose, kurzatmige Gier wird verblasen
Ins All des Vergessens – Sternenmüll
Wir, das lebendige Volk der aufrechten Menschen
Sind das Salz dieser Erde

Ach, wenn nur der Vogel Freiheit daherkäme
Und sie aufpickte, die blaue Perle unserer Rosinenerde
Und sie mitnähme in die Weite unserer Sehnsucht
Nach liebender Freiheit


Tag, von Großmutter geweiht

Großmutter ist mir erschienen
Nach einem Besuch bei einer alten Dame
In einem alten Gemeindebau im 19. Bezirk
Der Geruch der kleinen Wohnung
Der schöne Balkonblick auf die Bäume
Die Kletterrose im Stiegenhausfenster

Plötzlich warst du da, Großmutter
Mit deinen Einmeterfünfzig
Und deinem schnellen, trippelnden Gang
Deine Liebe lebt immer noch in mir
Eure Liebe und deine Vitalität

Du sahst mir prüfend in die Augen
Blitzende Augen hattest du, schelmische Augen
An diesem strahlenden Junimorgen
War ich plötzlich wieder der kleine Bub im Garten
Und die Zeit, so es sie gibt, war stehen geblieben
Mit all ihren Düften und Lüften, Gräsern und Blättern
Und wolkenlosem Himmel

Plötzlich war mein Herz leicht und weit
Und lachend und wieder jung
Danke, Großmutter, für das Malzbonbon
Und das Wort „Hundsfuada“
Das auf irgend eine seltsame Weise
In meinen Ohren tönte

Das sagtest du manchmal, liebevoll strafend
Zu deinem krummbeinigen Dackelschäfer
Der dich die letzten Jahre begleitete
Wenn der sich irgendwie „daneben“ benommen hatte
„Hundsfuada“

Ich habe dich umarmt, dir die Wangen geküsst
Und Tränen sind in meinen Augen aufgestiegen
Aber nicht zu Boden gefallen
Danke, Großmutter, dass du mir diesen Tag
So unerwartet geweiht hast


4500 Selbstmorde seit Beginn der Krise in Griechenland


 
Bei Irene
vor dem Besuch der alten Dame

Wilder Wein im Sonnenschein
Blaue Schatten in den Zwischenräumen
Grüne Wand lädt ein zum Träumen
Katzen und Ruhe
Eine alte Liebe
Zeit läuft durch Siebe
Ganz ohne Schuhe

Im Sommer wirkt alles viel aufgeräumter
Bunter, wacher und zugleich verträumter
Das kommt vom Licht
Das zu uns in allen Farben spricht
Im Dur der Kontur
Viel klarer zeigt die Welt ihr Gesicht
Im Sommer nur


Besuch beim alten Dürrenmatt

Nicht tot bist du
Die Welt ist tot
Du lebst
Die alte Dame besucht die Welt
Und die Welt mordet
Mordet, bis kein Blut mehr herausspritzt
Aus der Menschheit Ill
Der kranken Menschheit
Die ihre Seele verraten hat...
Und wie du lebst
Dürrenmatt


Starkes Gefühl

Lau-laute Wirklichkeit
Die aus den Steinen schweigt und aus den Sternen singt
Wenn sie dem Nichts der Nacht entsteigt
Und uns um Schlaf und ruhiges Leben bringt

Starkes Gefühl

Alles läuft aus der Bahn, nichts ist so wie es scheint
Und alle Sicherheit ist Wahn und alles Wissen ist Verlogenheit
Wir haben uns ein Nest in Angst gebaut
Und halten uns an allem fest, was fest ausschaut
Und alles Kleine, Schwache, Weiche halten wir uns fern
Wir tun alles, doch wir tuns nicht gern

Starkes Gefühl

Wir funktionieren einwandfrei und ohne Fragen
Wenn wir vermeintlich leben und doch nur die Haut
Zu Markte tragen
Doch einmal kommt, so abgekämpft wir seien
Mitten im August, ganz unbewusst die Lust
Und lässt uns Freiheit schreien
Und Liebe und Verstehen und Verzeihen


Für gewöhnlich fühle ich sie nicht...

Dunkelgrünwasser
Goldsmaragdgrünes Schilfrohr
Des Abends Seele

Dunkelgrüne Wasserruhe, goldsmaragdgrün leuchtendes Schilfrohr. Der Abend öffnet weit seine Truhe, um uns seine Schätze zu zeigen und wie getriebenes Kupfer schimmert das Gewässer.

Ich schwimme in diesem Augenblick wie in einem Bläschen der Ewigkeit, wie ein Insekt in einem Harztropfen. Im Gegensatz zu Bernstein zerplatzt mein Abendaugenblicksbläschen sogleich und gibt mich wieder frei und der Endlichkeit preis. Aber ich weiß und fühle ganz tief in mir drin, dass ich soeben ein kleines Teilchen dieser Ewigkeit gewesen war und jetzt immer noch bin. Ich schwimme immer noch drin.

In dieser Sekunde habe ich alle Jahre verspürt, die zu leben mir bisher gegeben waren und auch alle Lieben waren darin kondensiert und die noch ungelebte Liebe sogar. Und die Wolken spielten und die Blätter grünten und die Blumen blühten und die Fische sprangen und die Sonne verglühte und das Abendhimmelmilchblau verblasste allmählich zu Nacht.

Das Leben ist ein Traum aus dem ich manchmal für Bruchteile einer Sekunde erwache und staunend feststelle, dass die Welt immer noch nicht zerfällt, immer noch hält was sie verspricht. Ich fühle sie nur so selten, die vergangenen und die kommenden Welten. Für gewöhnlich fühle ich sie nicht.


Utopie oder Tod

Wenn die Gegenwart immer unerträglicher wird und damit verbunden, das Ohnmachtsgefühl, wenn die Perspektiven und die Hoffnung auf Besserung schwinden und sich die Zukunftsaussichten und die Lebenswirklichkeiten immer mehr verengen, scheinen oft nur mehr diese beiden Alternativen zu bleiben. Und dort wo, wie aktuell in Griechenland und anderen von der Wirtschaftskrise verarmten und ausgegrenzten und massiv mit Schuld und Schulden belasteten Ländern Politik und Zivilgesellschaft keine oder zu wenige gangbaren Auswege in realistische Utopien zu zeigen imstande sind, bleibt den durch psychische Störungen ohnehin weniger resilienten Individuen oft nur mehr der Akt des mehr oder weniger rebellischen Suizids, der in jedem Fall von kundigen Hellhörigen als Akt des ultimativen Hilfeschreis, des Protests, des Widerstandes, der Auflehnung und Empörung verstanden werden sollte.

Tod

Die aktuelle globale kapitalistische Spar- Finanz- und Wirtschaftspolitik, die auf Ausbeutung des Menschen und Raubbau an der Natur  gründet, die Lebensgrundlagen der gesamten Menschheit zerstört und durch extremen Konkurrenzkampf, Krieg und kaum verschleierten Terror die Menschen- und Freiheitsrechte immer mehr einschränkt und immer mehr Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließt und sie zu wertlosen, die Gemeinschaft und Wirtschaft belastenden Elementen und Faktoren degradiert, medial deshumanisiert und auf den Sozialfriedhöfen der erodierten Wohlfahrtssozialstaatlichkeit endlagert und entsorgt.

Realistische Utopie

Ziel der gesellschaftlichen, globalen Integration ist letztlich die Inklusion, Ermunterung zur Selbstermächtigung, Vertrauen schaffen, Hilfe zur Selbsthilfe, Mitmenschen wahr nehmen und selbst wahr genommen werden. Aufbau von Commons und kooperativen, vernetzten Lebens- und Produktionsgemeinschaften, die Sinnvolles und Lebensnotwendiges produzieren, durch direkte Wertschöpfung, regionale, austauschorientierte Vermarktung, unter Ausschaltung des oft parasitären Zwischenhandels (Fairwirtschaften, Fairhandeln), Schaffung von horizontalen, kooperativen, demokratischen, zwischenmenschlichen Kontakten und Zusammenarbeiten zur Erfüllung aller basalen Lebensbedürfnisse und Grundsicherheiten (Wohnen, Bekleidung, Ernährung, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe), unter Einforderung des Grundrechtes auf interessante, schöpferische, sinnvolle und gerecht entschädigte Arbeit, eine interessante und abwechslungsreiche Existenz, die  anerkannt und gefördert wird.


Für den 70er

50 Jahre sing ich jetzt
Hab mir meine Schuhe
Und die Seele abgewetzt
Will nun meine Ruhe

Will nun tun was mir gefällt
Lesen, schreiben, staunen
Bin vergnügt in meiner Welt
Herrscher meiner Launen

Sage was ich sagen will
Denke was ich sage
Manchmal will ich sogar still
Tragen was ich trage



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