Wider Kurz-Blitz-Diplomatie & Kettenreaktions-Dominaeffekte der Anstandslosigkeit
In Zeiten der Umbrüche und Krisen, wirtschaftlicher, politischer und
psychischer Instabilitäten, gälte es für VerantwortungsträgerInnen vor
allem Vorbild zu sein, Ruhe, kühlen Kopf, Mitgefühl, Werte- und
Standfestigkeit, Sachkenntnisse und den vielzitierten gesunden
Menschenverstand, d.h. Mitmenschlichkeit zu bewahren und dort, wo
Überforderung oder fatale Fehler zu befürchten sind, in offener
Kommunikation und geistiger Beweglichkeit, nötige Informationen und
evtl. komplementäre Meinungen rasch einzuholen, um möglichst auf der
Höhe der Situation und ihrer anstehenden Probleme, Entscheidungen
treffen und Lösungen erarbeiten zu können, die diese auch bewältigen und
nicht noch mehr verschärfen. Freilich sind das alles fließende
Prozesse, die Geschichtsbewusstsein, Fingerspitzengefühl, Authentizität
und Ehrlichkeit erfordern, die den betroffenen Menschen verständlich
kommuniziert werden wollen und in die sich diese auch eingebunden fühlen
müssen; sie sollten nachvollziehbar sein, um auch, nach entsprechender
kritischer Diskussion, von einer möglichst breiten Mehrheit, nicht nur
als untertäniges Lippenbekenntnis nachgebetet, sondern auch verstanden
und gelebt werden zu können. Das müssen wir leider in der aktuell
bedrohlichen internationalen, vor allem der europäischen
Problemgemengenlage, von den meisten europäischen und
nationalstaatlichen Verantwortlichen schmerzlich vermissen.
Ängstliche Nationalregierungen und lahme EU triggern Xenophobie
Worum geht es? In einer Welt der globalisierten, leicht zugänglichen
Informationen, werden sich immer mehr Menschen weltweit der herrschenden
Ungleichheit und der ungerechten materiellen Güterverteilung bewusst.
Alle bisher durch den imperialistischen Kolonialismus aufgestauten
Emotions- und Aggressionspotenziale lassen sich, in enthemmenden Krisen-
und Katastrophenlagen, ausgelöst durch die mörderischen Kriege um
Bodenschätze, Rohstoffe und Wirtschaftsmacht, nur mehr mühsam
unterdrücken und verdrängen. Die Folgen von humanitären Katastrophen
kommen zu uns in Form von virtuellen Bildern und in der Wirklichkeit der
massiven Flüchtlingsbewegungen. Reaktionen: Einerseits eine fabelhafte
Solidarität der Bevölkerung und der Zivilgesellschaften, deren Dynamik
von meist säumigen Regierungen nicht genügend genützt und unterstützt
wurde und andererseits, unter dem Druck ultrarechter Populisten und
immer mehr nach rechts abdriftender Nationalregierungen eine Wolke von
Schuldgefühlen und Ängsten des bisher „unbelästigten“ Wohlstandswestens
und seiner bequem gewordenen NutznießerInnen, die eigene potenzielle
Gleichgültigkeit, Unmenschlichkeit, Niedertracht, Gewaltbereitschaft,
auf diese entwurzelten, hilfsbedürftigen Flüchtlinge übertragen und zu
einer, den Machteliten willkommenen Eskalation des Sicherheitsdenkens,
zu Abwehrreaktionen und einer feindseligen Haltung, zuungunsten der
Menschenrechte, der güligen internationalen Rechtsgrundlagen, der
Prinzipien der Nächstenliebe- und Hilfe und der „Notstands-Solidarität“
führen, Eigenschaften, die eigentlich im menschlichen Empathiepotenzial
und in der dem Menschen innewohnenden Kooperations- und
Solidaritätsbereitschaft angelegt sind, aber jetzt, durch noch
zusätzlich geschürte Stimmungen Richtung Einschüchterung, Droh- und
tatsächlicher Gewalthaltung und Bereitschaft überlagert werden, zu einer
sich ausbreitender Desorientierung und einem Gefühl der Halt- Macht-
und Hilflosigkeit, die dann durch machtsichernde, autoritäre,
Führervorbilddiktaturmaßnahmen, kurzfristig, vorgeblich, kanalisiert und
zum Profit des strauchelnden, kriselnden Systems, gegen äußere, wie
innere Feindbilder gelenkt werden können. Beim Fall des „eisernen
Vorhangs“ war das zum Glück nicht so. Da waren ja der
Systemzusammenbruch und in der Folge auch seine Flüchtlinge, erwünscht
und willkommen.
Jetzt, im Fall des kriselnden Kapitalismus, der
sich eben nicht als unfehlbares und alleiniges Gesellschafts- und
Wirtschaftsprojekt bewährt und nicht das seinerzeit prognostizierte Ende
der Geschichte bedeutet, ist eine sich weitgehend friedlich abwickelnde
Krisenbewältigung, leider gar nicht mehr so selbstverständlich wie zu
Zeiten Gorbatschows, Kohls und Mitterands. Statt Mauerfall heißt es nun
Mauerbau, oder „Türl mit Seitenzäunen“, um die überaltete Festung Europa
gegen die einströmenden, wilden, vor Kriegen; Leid, Hunger und Armut
flüchtenden „Barbarenhorden“ abzuschotten (die wir als
Zuwanderungskontinent in Wahrheit dringend brauchen). Eine
Bunkerstimmung der Götter- und Götzendämmerung wagnerianischen Ausmaßes
macht sich breit und es wird medial, politisch-propagandistisch aus
allen Rohren schießend, zum letzten Aufgebot geblasen: “ Flakhelfer Kurz
geh du voran, du hast die geilsten Stiefel an, flankiert von der
heiligen Johanna der Machthöfe und Doskozil, dem Krokodil…“
Österreich war schon an zwei Weltbränden hervorragend beteiligt
Und wieder einmal macht sich Österreich in altbewährter, wankelmütiger
Herr Karl-Manier (kurzfristig nannte der sich sogar situationselastisch
„Je suis Charlie“) zur Vorreiterrin der „Hurrah - auf in den
Abgrund-Stimmung“ einer Koalition der unwilligen
Wadlbeisser-nationalstaaten, die Teile des Europäischen Projektes die
noch nicht gänzlich durch Austeritätspolitik, neoliberaler Konzernlobbys
zur Makulatur gemacht worden sind in die Bredouille bringend, Europa
als potenziell friedenssichernden, solidarischen und sozialen
Stabilitätsfaktor in einer Welt des raubtierkapitalistischen
Endverteilungskampfes der fossilen Energiereserven und des die Grenzen
des ökologisch Machbaren längst durchstoßenden, unbegrenzt wachsenden
Profitmaximierungswahns, in den Kamin der wiederbelebten Banalität des
Bösen schreiben wollen, indem sie zur vermeintlichen Sicherheit gleich
die demokratischen Grundwerte ihren, vor allem innenpolitischen
Machterhaltsspielchen opfern.
Dafür sollen die restliche Welt,
das mögliche andere, friedliche, bunte, zivilgesellschaftliche Europa,
außerhalb des Burgenlandes, der Lichtenfelsstraße, Simmerings und St.
Pöltens, als Vorbild und Inspirationsquelle für die bislang
Weggesperrten und Ausgegrenzten ausgelöscht und diese mit allen Mitteln
und Grauslichkeiten von Zentral- und Nordeuropa abgeschreckt werden.
„Krepierts gefälligst vor unserem Haustor, im Mittelmeer, oder in den
Massenlagern rund um die von uns mit Waffen belieferten Kriegsherde, im
großkonzentrationären Anhaltelager Griechenland, dessen Syriza Regierung
wir schon noch durch ein paar weitere Brüskierungen, unverfrorenes
Eurokreditklingeln- und Säbelrasseln, zum gefälligen Oberkapo
transmutieren, demütigen und in die Knie zwingen werden: „Herr Ober –
bringen sie mir Grenzen!“ Wir machen uns das weiße Stehkragerl dafür
nicht schmutig. Unsere Sturmbattaillone der Populismuskavallerie von
Strache, Orban über Marie Le Pen, den Vlaamske Blog, Goldene Morgenröte
etc, scharren schon ungeduldigst mit den Hufen, unsere durch unsere
Haltungslosigkeit aufgestrachelten Patridioten und Pegidioten scharen
das Fußvolk um sich, blaue, schwarze und rote Wimpeln, flattern uns, von
Niessl und Pühringer bestickt, lustig ums Häupl, das früher oder
später, eher HEUTE als Morgen auch noch die KRONE und ÖSTERREICH
schmücken wird und selbst Wien wird als Menschenrechtstrutzburg noch
alle seine Zinnen zur siegreichen Abwehr der „Flüchtlingsbelagerung“
wehrhaft bestücken“.
Europäische Desintegration, Milliarden für Unsicherheitspolitik
Ich mache kein Hehl daraus und aus meinem Herzen keine
stacheldrahtbewehrte Mördergrube: Die aktuelle Europa-Desintegration ist
kein Zeichen der Stärke, sondern ein Zeichen erbärmlicher Schwäche. Das
ist Realitätsverweigerung pur, von Politikern, die glauben, weil sie
formaldemokratisch repräsentativ kurzfristig die Macht haben, hätten sie
diese wirklich und könnten sich ungestraft und dauerhaft über die
grundlegenden Interessen der Bevölkerung, des eigentlichen Souveräns
hinwegsetzen, die da sind: Sinnvolle Arbeit, halbwegs gesichertes Leben
in einer halbwegs geordneten, nachhaltigen menschlichen Umwelt. Ein
friedliches Auskommen, möglichst ohne große Existenzängste. Dies alles
bietet unser gegenwärtiges System, obwohl es, bei ehrlicher
Reformbereitschaft dazu durchaus in der Lage wäre, immer mehr Menschen,
den sogenannten Minderleistern, aber auch zunehmend jungen,
gutausgebildeten AkademikerInnen, die sich prekär durchs Leben schlagen
müssen, nicht (mehr). Dabei ist genug da, wir in Europa sind so reich
wie noch nie, aber dieser Reichtum ist, wie mehr und mehr Menschen
wissen, extrem ungleich verteilt. Die Misere in die unser
kapitalistisches Wirtschaftsmodell die Welt gestürzt hat, klopft
unüberhörbar auch an unsere Türen. Sie ist durch die höchsten und
spitzesten Zäune nicht aufzuhalten, nur durch realistische Konzepte der
Umverteilung. Die sind vorhanden und mehr und mehr Menschen wissen das.
Die aktuellen Eliten wollen mit allen Mitteln ihre Privilegien
schützen. Dazu verblöden sie die Leute, speisen sie mit Gewaltserien und
Soap-Operas ab, halten sie möglichst dumm, unwissend und willfährig
autoritätsgläubig. Sie sind falsche Autoritäten, haben längst ihre
Autorität verloren, sind scheinheilig und lügen, dass sich die Balken
biegen, Sie haben die Grundwerte der Demokratie längst verraten, fordern
sie aber großkotzig von aller Welt ein. Von den Flüchtlingen, dem
Wahlvolk und nicht zuletzt unseren Schulkindern. Wer bitte sollte diesen
widerlichen Lemuren, die nur ans eigene Hemd und die eigene Haut und
ihren eigenen mickrigen Vorteil denken, auch nur mehr irgendetwas
glauben. Das Ganze ist ein einziges, erbärmliches öbszönes Spektakel.
Unsere Demokratie ist von Grund auf reformbedürtig, aber keiner will das
wirklich ernsthaft zugeben und konstruktiv diskutieren. Im Gegenteil,
da wird beschwichtigt, bemäntelt und behübscht. Sie stecken Milliarden
in Unsicherheitspolitik, Instrumente der Bespitzelung und der
Unterdrückung, teure, nichtssagende Wahlkämpfe, erhöhen Armut, schüren
Unzufriedenheit, schließen Minderheiten und KritikerInnen aus und
produzieren so doch nur immer mehr Unsicherheit und Desorientierung. Sie
züchten Generationen perspektivloser, potenzieller Terroristen heran.
Sie säen heiße Luft und wundern sich wenn ihnen dann scharfer Wind in
die Gesichtslosigkeit bläst. Sie desintegrieren und spalten die
Gesellschaft statt ihren Zusammenhalt durch wirksame
Integrationsmaßnahmen zu stärken.
Gestalten statt spalten
Die Krise birgt aber auch Chancen auf Katharsis, auf eine neue Vision
von lebenswertem Leben: Arbeitsplätze für InländerInnen und
AusländerInnen schaffen. Fantasie fördern und teilen statt unterdrücken,
verblöden und ausgrenzen. Neuer, leistbarer Wohnraum für Einheimische
und Zuwanderer, ökologischer Umbau der Städte. Förderung neuer Formen
von Energiegewinnung und ökologisch verträglicher Mobilität.
Brachliegendes, wirtschaftliches Potenzial offensiv und innovativ
nutzen. Das alles und noch viel mehr ist machbar. Aber dazu muss die
Untertanenmentalität abgelegt werden. Wozu sitzen Grüne in den
Regierungen? Was macht das verbliebene sozialdemokratische Fähnlein der
nicht rechten Aufrechten. Es ist Zeit zu handeln, nein zu sagen zu
dieser Entsolidarisierungwelle, dieser Verblödungsflut, ja zu sagen zu
den vielfältigen und wunderbaren Möglichkeiten miteinander ein neues,
anderes , gerechtes, faires, begeisterndes Leben zu gestalten. Die Zeit
der Nationalstaaten ist vorüber, nicht die der Regionen, Gemeinden und
Gemeinschaften, auch nicht die eines wirklich demokratisch verfassten,
in gefühlten Grundwerten geeinten Europas und einer demokratischen
Weltgemeinschaft. Initiativen wie die unlängst von von Varoufakis
initiierte DiEM geben Hoffnung. Die veröffentlichte Meinung ist eben
nicht die öffentliche Meinung und die derzeitige Politik entspricht
nicht den Vorstellungen der reichen, vielfältigen europäischen
zivilgesellschaftlichen Kräfte. Das sind auch die anständigen, den
Menschenrechten und der Solidarität verpflichteten Menschen in allen
Lagern und Parteien.
Der Mensch ist Individuum und soziales
Wesen, vielsprachig, multikulturell und will frei und in freien
Assoziationen leben und diese Sehnsucht ist, solange sie nicht
einigermaßen befriedigt ist, durch nichts aufzuhalten. Wir haben nur
eine Erde und unsere Welt ändert sich in ihrer Vernetztheit und
Verbundenheit ununterbrochen. Zum Besseren oder zum Schlechteren. Eine
lebenswerte Ausgewogenheit für alle Menschen dieser Erde zu schaffen und
zu sichern liegt in unseren Händen. Unser Gehirn ist, wie der
Neurobiologe Gerhard Hüther es so trefflich beschreibt, ein Sozialorgan
und es ist fähig, weitläufig vernetzt, empathisch und frei zu besseren,
gemeinschaftlichen Lösungen der anstehenden Probleme zu kommen. Benützen
wir unsere Fähigkeit zu denken und mitzufühlen mit dem Anderen,
friedlich, in guter Nachbarschaft, eigenverantwortlich, kooperativ,
kritisch und mutig. Geben wir den Regierenden und Besitzenden, allen,
eine Chance umzudenken, dass auch sie erkennen mögen, dass es besser und
für alle, auch für sie, sicherer und befriedigender ist die Diskussion
und die Kooperation zu suchen, weniger ängstlich und stressig zu leben.
Dass es in ihrem ureigensten Interesse ist für Offenheit, Entspannung
und Frieden zu optieren statt für kurzsichtige Provokation,
Konkurrenzkampf, Neid, Ausgrenzung und letztlich Krieg, der in der
heutigen Zeit nur all zu leicht mit dem Untergang der gesamten
Menschheit enden könnte: Nur Kooperation, echte Demokratie und
friedliches Teilen kann Europa heilen!