Zurichtungen für die Abwegigkeit
Wie geht’s so? Geht’s noch? Geht so Politik und Demokratie? Wir denken
politisch meist in den Zuckerberg-Formaten von "Fakebook" und "Zwitter",
also ziemlich kurzatmig. Für längere Reflexionen lassen uns ja
stressreicher Job und konsumgeschwängerte Alltagsumtriebigkeit kaum
Zeit. Aber denken wir eigentlich noch? Ja, bloß wir denken wie wir
leben. Zumeist in medial-virtuellen Scheinwelten Leben wir überhaupt
noch? Keine Zeit darüber wirklich nachzudenken.
Scheinwelten in Scheinöffentlichkeiten
Wir verschlingen vorgekaute, meist ungenießbare, giftige Kost und
vergessen sie oft wieder auszuscheiden, uns Kopf und Sinne wieder
frei zu machen. Der erbärmliche „Österreich“- „Heute“- „Krone“- und
sonstige Kurzmeldungsmüll öffentlich-rechtlichen und vor allem
unsäglichen privaten Zuschnitts, der uns täglich alle möglichen Ängste
durch Terror, Selbstmordattentate, Gewaltverbrechen,
TV-Verblödungskrimiinhalte, sowie seichte Konfluenz- und Konsumangebote
und endlose, giftfalschsüßliche Werbung etc. um die Ohren fliegen lässt,
hat sich ziemlich hartnäckig in unsere Synapsen und Gehirnzellen
eingebrannt, sickert langsam ein und blockiert nach und nach alle Organe
unseres Individual- und Gesellschaftskörpers. Wir werden zugerichtet,
tagein, tagaus. Zugerichtet für die verblödete Angepasstheit,
konditioniert für Untertanen- und Mitläufertum und alle nur erdenklichen
Abwegigkeiten und (un)demokratischen, (un)menschlichen Grauslichkeiten.
Frühling der Patridioten?
Dabei ist es eine strukturelle Frage, einer zunehmend aus dem Ruder
laufenden, ständig wachsenden Apotheose struktureller Gewalt eines
kapitalistischen Systems, das lange schon am Ende ist, vorne und hinten
versagt und nur mehr durch Routine, multiple Abhängigkeiten, mörderische
Gewohnheiten und introjizierte Fantasielosigkeit am Leben gehalten wird
und das in sich selbst, wie schon der große Sozialist Jean Jauress
treffend meinte, "den Krieg wie die Wolke den Regen trägt"… und ich
würde ergänzen: der Kapitalismus produziert zwangsläufig eben keine
freien Märkte, die sich selbst und die Gesellschaft regulieren, sondern
konzentrationären Totalitarismus und Faschismus, Krieg, Katastrophen,
einhergehend damit Flüchtlingsbewegungen und – wir haben zum Glück erst
ein Exempel dieser „meisterhaft rational-irrwitzigen, pedantischen und
gründlichen Monstruösität“: den Holocaust - die industrielle
Auslöschung des „Anderen“, Fremden, und letztlich, konsequent
weitergedacht - die Selbstauslöschung der Menschheit. Dieses
kapitalistische System, das von der Ungleichheit und von der Ausbeutung
und dem Raub menschlicher und materieller Schätze, also ureigentlich
parasitär und zerstörerisch „lebt“, in einer immer unerhörteren,
fauligen, süß-anästhesierenden Odeur des brachialen Sterbens; es kann
nicht (mehr) anders, es ist reif für die Halde der Geschichte.
Rückbesinnung auf das menschlich Wesentliche und Machbare
Dazu gehören: Teilen des reichlich Vorhandenen, Kooperation und
Kreativität in allen Lebensbereichen, mehr Lebensqualität durch
ganzheitlichen, interdisziplinären Kontakt und Dialog. Bescheidenheit in
allen Lebens- und Arbeitsbereichen, also auch der Politik, sind
angesagt. Eine tiefe, quasi revolutionäre Reform unseres Staats-
Politik- und Verfassungsverständnisses. Evidenzbasierte, dem Menschen
und seinen sozialen und elementaren Bedüfnissen verpflichtete Kultur,
Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik,
qualitätsvolles, den Menschenrechten verpflichtetes Verständnis von
einer sich mit der Gesellschaft mitentwickelnden, lebendigen Demokratie,
die niemanden ausschließt und die Meinung und Rechte der Minderheiten
respektiert und berücksichtigt.
Neue Formen, des Arbeitens und des
Zusammenlebens, neue, verfeinerte und den Lebensverhältnissen und deren
Problemen angepasste Formen der demokratischen Gemeinschaftsgestaltung,
der Wirtschaft und aller anderen Teile der Gesellschaft. Diese Bewegung
mit diesen Zielen gibt es ja bereits. Die vielfältige, vielgestaltige,
vernetzte Zivilgesellschaft. Aber, sie wird aus dem öffentlichen
Bewusstsein häufig verdrängt, von der veröffentlichten Meinung kaum
wahrgenommen, deren Produzenten sich ja in den vorhin beschriebenen
Routine- und Abhängigkeitsverhältnissen am Gängelband der sich
auflösenden Machtzentren der aktuellen Macht- und Einflusshaber
befinden.
Raus aus dem Brei von Bequemlichkeit und Denkfaulheit
Wir nehmen hin die Flut an Manipulationen, verkürzten Abbildungen
dynamisch-komplexer Wirklichkeiten, die immer öfter erkennbar als
vereinfachte, verkürzte Hetze und Propaganda des Machterhalts daher
kommen und uns in den sich auflösenden Spuren innerhalb der
einstürzenden Pferche der Machtapparate halten wollen.
Die
Austeritätspolitik des, von Gewerkschaften und Sozialdemokratischen
Parteien (aber auch von den meisten anderen), entmachteten
Interessensvertretungen unwidersprochen ausufernden Neoliberalismus,
stürzt die Welt in permanente Krisen, produziert Gewalt, Krieg, Hass,
Feindseligkeiten, das einander Ausspielen von Menschengruppen und
Kulturen. Und wir in unserem komfortablen Brei der Bequemlichkeiten,
Routinen und Denkfaulheiten lassen das „machtlos“ gewähren, gewöhnen uns
Schritt für Schritt an die „Selbstverständlichkeit“ der
Unmenschlichkeiten, nehmen die blöd-hasserfüllten Fratzen von
Maulverbrechern und Schreibtischtätern als politische Aussagen hin,
schlucken es, berichten journalistisch darüber und wundern uns – wenn
Asylheime brennen, Menschenrechte sukzessive abgeschafft werden, die
Saat der Gewalt in rassistischen Morden aufgeht. Gewöhnen uns als
Sozial-Christdemokraten oder sonstige –„Kraten“ und „Isten“ daran, dass
den ärmsten der Armen immer mehr weggenommen wird: Kürzungen, ja
Streichung der Mindestsicherung für Asylberechtigte und bald auch alle
anderen Solidaritätsbedürftigen; und dass Menschen auf der Flucht vor
Krieg und Verfolgung wie Vieh, potenzielles Schlachtvieh, auf Inseln
eingekerkert werden, unterworfen den Festungsstrategien der Abschottung
Europas, auch mehr und mehr Opfer der Hunger- und Klimakatastrophen
darunter, und der von uns, ob wir es wollen oder nicht, mitgebilligten
Kriege im Interesse der florierenden Waffenproduktionen. Menschen, die
zur Flucht gezwungen, mafiösen Schleppern überlassen, zu tausenden im
Mittelmeer ertrinken, an dessen Stränden wir in unsere erbärmlichen
Urlaube fahren. (Urlaub kommt übrigens ureigentlich vom Wort er-lauben);
Wir leben also, oder besser vegetieren in unseren
(Noch)-Wohlstandskerkern in korrumpierten Abhängigkeiten und abhängigen
Abwegigkeiten genau in den Formen und Modi, die uns die kapitalistische
Gesellschaft in ihrem finalen Rückzugsgefecht, das sich derzeit als
allumfassender Angriff und einzig gangbarer Weg gebärdet, erlaubt.
Die Angst der Eliten vor friedlicher, globaler Revolution
Populisten wie Putin, Le Pen, Orban, Hofer, Erdogan, Pühringer, Niessl,
Kurz, Doskozil… und wer sich sonst noch angesprochen wähnt, werden von
einer kalt (und falsch) berechnenden und berechneten Austeritätspolitik
a la Schäuble, die Millionen von Arbeitslosen und tiefsten
Sozialnotstand (Griechenland), generelle Abstiegs- und Existenzangst,
vor allem im sogenannten europäischen Mittelstand zu Folge hat und durch
Ängste, die von der Hetze gegen Kriegsflüchtlinge, Opfer derselben
globalen Raub-Wirtschaftspolitik noch einmal verstärkt wird, genährt und
gefördert. Resultat: Rechtspopulismusschwemme, der ganze braune
Pegidasumpf, Rassismus im Netz, Identitäre, Rechtsruck der „Mitte“ und
Entdemokratisierung und Entsolidarisierung nationaler
Regierungspolitiken, zunehmende sozialpsychische Destabilisierung, Abbau
sozialer Kohäsion, Anstieg von Hass und Gewalt, also die ganze Palette
der Kehrseite der aktuellen europäischen Austeritätspolitik.
Die
„Eliten“ haben Angst vor der globalen Revolution, vor echten
SozialdemokratInnen und echten ChristInnen, vor echten humanistischen
Wertehaltungen, vor aufrechten DemokrateInnen, die allesamt heutzutage
schon als Linksradikale diffamiert werden, wenn sie nur
menschenrechtliche und demokratische Selbstverständlichkeiten
einfordern. Sie haben Angst vor dem immer noch nicht verhallten Echo
des legendären Ausspruchs Guevaras: „schafft ein zwei, viele Vietnam“,
dass sich ein weltweiter Aufstand für soziale Gerechtigkeit realisieren
könnte und kreieren dagegen prophylaktisch höchst gefährliche
Feindbilder jeglichen terroristischen Zuschnitts (IS) gegen die sie
weitgehend unwidersprochen ihren antiterroristischen, legalen
Staatsterror (nicht legitimierte, abenteuerliche Militärinterventionen
(Irak, Afghanistan, Lybien…), rasante militärische Aufrüstung,
unkontrollierter Einsatz von Killerdrohnen, Ausbau der elektronischen
Massenüberwachung, Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte), sowie
diverse andere virtuelle und reale Zäune und Festungsmauern, gegen
jeglichen, auch noch so friedlichen und legitimen Widerstand hochziehen
können. Sie fürchten und das nicht zu Unrecht, einen neuen, weltweiten,
friedlichen „Spartakusaufstand“ der Milliarden total Entrechteten,
genährt und versehen mit positiven Arbeits- und Lebensvorstellungen von
der weltweiten, vielfältigen, immer größer und intelligenter werdenden
Zivilgesellschaft und deren Credo, dass eine andere Welt nicht nur
möglich, sondern, angesichts aktueller Entwicklungen,
überlebensnotwendig ist.
Miteinander reden und Teilen, sorgsam
mit den materiellen, ideellen und kulturellen Werten umgehen,
einfühlsam, dialogisch, kooperativ, Grenzen auflösen, Bildung für alle
schaffen, Institutionen zum Wohle aller Menschen, mit Ziel auf eine
demokratische Weltregierung. Verfeinerte, den Lebenswirklichkeiten
entsprechende Demokratie, Ausbau der individuellen und
gesellschaftlichen Rechte, bei gleichzeitiger Aufwertung der Gemeinden
und Regionen. Eindämmung der egoistischen, national-populistischen
Regierungen durch die Stärkung und Festigung einer solidarischen,
demokratischen und friedlichen, den Menschen nahen Europäischen Union, also einer Union der Menschen in Europa.
Ende der Waffenproduktionen, technischer und technologischer
Fortschritt, wie Automatisierung, zum Profit für alle Menschen. Arbeit
und/oder Mindestsicherung für alle. Die gewonnene Freizeit für
sinnstiftende, sozial und gemeinschaftlich nützliche Tätigkeiten,
Schluss mit Gewinn an Kriegen, Menschenhandel und Kinderarbeit.
Das Gutmenschenzeitalter steht vor der Tür
Es ist nicht mehr zu übersehen: Das aktuelle kapitalistische System in
der Krise, kann und will die gesamte Weltbevölkerung nicht mehr
beschäftigen und versorgen, produziert Krisen, zerstört die Welt und
ihre Lebensgrundlagen, stürzt die Menschheit in Chaos und sinnloses
Blutvergießen.
Das was wir derzeit erleben, den Aufstieg der
Populisten, den Versuch der Zerstörung der Europäischen Union als
Friedens- und Sozialprojekt, die Illusion Konflikte könnten durch Gewalt
und Kriege gelöst werden, der wachsende Ausschluss der Mehrheit der
Weltbevölkerung von Arbeit und selbst bescheidenem Wohlstand, produziert
Hass, Aggression, Zerstörung, die sich letztlich auch gegen die
vermeintlich Herrschenden wendet. Es braucht evidenzbasierte Politik und
Wirtschaft, es braucht demokratische Teilhabe und gerechte Verteilung
des Wohlstands, sinnvolle Arbeit und sinnvolles Leben für alle.
Empathischen Umgang statt mörderischen Konkurrenzkampf.
Der
Mensch ist gut, er ist ein Gutmensch und dieses Zeitalter, das
Gutmenschenzeitalter steht weltweit vor der Tür und ist durch nichts
aufzuhalten. Machen wir die Türe auf, überschreiten wir die Schwelle.
Ein Zurück in die Abgründe von Krieg und Massenvernichtung darf es nicht
geben! Ergreifen wir die Chance auf eine offene, friedliche
Weltgesellschaft.
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